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Zug um Zug aus Zug – Folge 2

Zug um Zug ??? aus Zug

Eigentümliche Bewilligungs-Praxis für Mobilfunkanlagen im Kanton Zug

Eine Serie in 3 wöchentlichen Fortsetzungen von Dr. Andr? Masson, Baar

Folge 2

6) Ein Bundesgerichtsurteil gilt schon in der Nachbargemeinde nicht mehr ?!

In der Stadt Zug wollte ich zwei Abnahmemessungen studieren (Bahnhof, Oberwil). Dabei habe ich mich auf das Urteil des Bundesgerichtes bezogen, wonach Abnahmemessungen veröffentlicht werden müssen. Das Bauamt teilte mir mit, „man sei übereingekommen“, das Urteil des Bundesgerichtes gelte nur für die betroffene Anlage in Baar, nicht aber für andere Anlagen z.B. in der Stadt Zug. Dieselbe Ansicht vertritt die Baudirektion des Kantons Zug. Man darf die Messungen also nicht sehen.

Bei jeder sich bietenden Gelegenheit vertreten die Behörden die Interessen der Mobilfunkbetreiber, und nie diejenigen der betroffenen Bevölkerung. Dass nicht einmal ein Bundesgerichtsurteil akzeptiert wird, erscheint ganz unverständlich. Eine weitere Instanz, um das Bundesrecht durchzusetzen, gibt es (wahrscheinlich) nicht.

Fazit: Die Baudirektion des Kantons und die Stadt Zug wollen es nicht akzeptieren, dass das Bundes-gericht die Veröffentlichung der Mobilfunk-Messungen vorschreibt.

7a) Falsche Messpunkte machen Messung wertlos

Baar / Brauerei / Orange & Sunrise
Die Antenne steht auf einem hohen Silo. Die Abnahmemessung erfolgt so nahe am Silo, wie es in den umliegenden Wohnungen und Büros nur möglich ist. An diesen Orten hat man viel weniger Strahlung als an weiter entfernten Stellen, denn die Strahlung geht hoch oben durch und trifft die Messorte kaum. Eigene Vergleichsmessungen haben gezeigt, dass in Distanzen von 100 bis 300 m die Feld-stärke um einen Faktor drei bis acht höher ist als dort, wo offiziell gemessen wird. Die offizielle Messung ist somit wertlos.

Die akkreditierte Firma MONTENA hat die amtliche Messung bei der Brauerei durchgeführt, und zufälligerweise auch eine private Messung beim Wohnblock Burgweid in ca. 300m Entfernung. Der Vergleich zeigt, dass im Südsektor die Feldstärke der stärksten Orange-Strahlung beim Wohnhaus Burgweid um einen Faktor 4.9 grösser ist als am offiziellen Messort.

Fazit: Das Bundes-Verfahren ist in sich unstimmig und unsinnig. Die Orte, an denen die Strahlung gemessen wird, müssten ganz anders ausgewählt werden. Der Kanton hält sich strikte an das Bundes-Verfahren ??? selbst wenn man von blossem Auge sieht, dass es unsinnige Resultate liefert.

7b) Falsche Messpunkte machen Messung wertlos

Zug / Leimatt A / Orange
Bei der Antenne auf dem nördlichen Oberwiler Hochhaus ist die höchste Strahlung zu erwarten im südlichen Parallel-Haus. Dort wurde auch korrekt gemessen. Aber im Nordsektor sind ganz unsinnige Punkte gewählt worden für die Abnahmemessung, denn sie liegen viel zu nahe beim Hochhaus. Man sieht die Antenne von dort her gar nicht, denn sie ist verdeckt von den obersten Stockwerken des Hochhauses! Erst weiter weg kommt die Antenne zum Vorschein, und die Strahlung steigt sofort an. Noch auf demselben Grundstück 3022, wo die Abnahmemessung gemacht wurde, steigt die Feldstärke der beiden Nordsektoren um den Faktor 3 bis 7 an, wenn man an der nördlichen Grundstückgrenze misst! Sogar auf der Terrasse des viel weiter entfernten (220 m), aber höher gelegenen Franziskus-heims ist die Feldstärke des NE-Sektors um den Faktor 3 grösser als am offiziellen Messort (Horizon-taldistanz ca. 35 m).

Und nochmals deutlicher: Im Altersheim Mülimatt (360 m vom Sender entfernt) hat man im obersten Stockwerk auf dem Baugerüst eine Feldstärke des NW-Sektors, die um einen guten Faktor 20 stärker ist als am Ort der amtlichen Messung!!! Das Amt für Umweltschutz sagt selber von diesen unsinnigen Orten für die Messung: „Die vorgesehenen Messorte sind mit uns abgesprochen“.

Solche Abnahmemessungen sind sinnlos und unhaltbar. Sie dürfen besonders wegen des nachfolgenden Punktes Nr. 8) nicht akzeptiert werden: Ein scheinbar tiefer Messwert berechtigt zur umso kräftigeren Erhöhung der Sendeleistung bei einem späteren Ausbau des Senders!

Fazit: Das Bundesverfahren ist in sich widersprüchlich. Der Kanton muss unbedingt ein Instrument entwickeln, um die Messpunkte besser zu wählen ??? sonst hält die Messung keiner fachlichen Kri-tik stand und ist wertlos.

7c) Falsche Messungen, sogar wenn man die richtigen machen möchte

Cham / Nestl?strasse / Swisscom (chronologisch vor der Berichtsperiode ??? Prinzip bleibt wichtig)
Es gibt noch eine andere Möglichkeit, wieso der Kanton an falschen Orten misst. Bei der Antenne an der Nestl?strasse ist eigentlich klar, wo man messen müsste. Allerdings verweigerten die Bewohner den Zutritt ??? deshalb wurde einfach an einer anderen Stelle gemessen.

Hier hat der Kanton richtig handeln wollen, aber er will oder darf sich nicht durchsetzen. Die Stim-mung kann bei gesundheitlicher Bedrohung gereizt sein: Wie misst man amtlich eine Wohnung aus, wenn die Mieter oder Besitzer sauer auf dieses Amt sind, oder auch uninteressiert ? Im konkreten Falle sind die gesundheitli-chen Probleme zwar im benachbarten Haus aufgetreten. Diese Menschen sind bald einmal umgezogen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kanton genügend Personalressourcen hat, um sogar fertig ausgemessene Anlagen auch dann noch im Auge zu behalten, wenn sich bei späterem Mie-ter- oder Besitzerwechsel die Zugänglichkeit zu den Wohnungen ändern.

Fazit: Wenn ein Mieter oder Hausbesitzer die Messung nicht haben will, so wird sie unterlassen oder andernorts gemacht.

8) Automatische Überschreitung der Grenzwerte

Baar / Brauerei / Orange & Sunrise, sowie Zug / Leimatt A / Orange.
Ein späterer Ausbau des Senders darf begründet werden mit einer früheren Messung; es ist dann keine neue Rechnung mehr erforderlich. Je harmloser die frühere Messung erscheint, z.B. weil am falschen Ort gemessen wurde, umso mehr darf die Leistung der Antenne beim späteren Ausbau erhöht werden.

Im ganzen Bewilligungsverfahren der Brauerei-Antenne konnten die Antennengegner behaupten: „Weder durch Rechnung noch durch Messung kann gezeigt werden, ob die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden“. Das hat sich durch die falschen Messorte nochmals verschärft, denn heute kann bereits mit den vorliegenden Messungen gezeigt werden ??? sofern die Mobilfunkfirmen den Leistungs-ausbau tatsächlich noch machen, wie er ihnen zusteht ??? dass die Grenzwerte mit Sicherheit über-schritten werden. Keine Behörde kann oder darf den Mobilfunkfirmen die Überschreitung der zuläs-sigen Grenzwerte streitig machen.

Rechenbeispiel: Es werden bei der Abnahmemessung 10% der Grenzwerte festgestellt. Jetzt darf der der Sender in diesem Sektor um so viel stärker senden, dass der Grenzwert eben noch eingehalten wird. Hat aber eine weiter entfernte Wohnung dreimal so viel Strahlung wie am Ort der Messung, so werden die Grenzwerte dort automa-tisch um den Faktor drei überschritten. Da nach dem Ausbau wiederum am selben Ort gemessen wird, können die Grenzwerte weiter weg überschritten werden, ohne dass es je festgestellt wird.

Fazit: Das Bundesverfahren ist unhaltbar. Die Mobilfunkfirmen haben ein Interesse an möglichst missratenen Messungen an falsch gewählten Standorten ??? und genau das bietet ihnen das vorge-schriebene Verfahren.

9) Wer ist für was zuständig ?

Baar / Spinni / Swisscom
Die Verordnung für Nichtionisierende Strahlung (NISV) formuliert nicht eindeutig, welche Behörde für was zuständig ist, und zwar weil es in jedem Kanton anders sein wird. Ich fragte den Gemeinderat von Baar: Welche Behörde ist im Kanton Zug in sieben konkret formulierten Themenbereichen die „zu-ständige Behörde“ gemäss NISV ? Eine Antwort ist nie gekommen. Auch der parallele Versuch, durch den Kantonalen Konfliktvermittler diese Zuständigkeiten zu klären, zeigte keinen Erfolg. Weiss man es gar nicht ?

Nach erneuter Nachfrage bei der Gemeinde erhalte ich endlich eine erstaunliche Antwort: Man kann die Zuständigkeiten zum jetzigen Zeitpunkt nicht nennen; das sei erst möglich, wenn so ein Fall kon-kret eintritt. Die sieben angesprochenen Themenkreise sind allerdings tägliche Realität, sie tauchen nicht später wie vom Himmel herunter: Hochspannungsleitung und Eisenbahnen, Radio- und Kurz-wellensender, Abnahmemessungen an Mobilfunksendern (fachliche Richtigkeit der Messungen und Akteneinsicht), Änderung bestehender Mobilfunksender, Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Dachdecker oder Liftmonteure, die sich beruflich den Antennen stark nähern müssen.

Fazit: Es bleibt trotz mehrerer Vorstösse auf Gemeinde- und Kantonsebene heute unklar, wie die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten geregelt sind bei regelmässig vorkommenden Situationen im Bereich der elektromagnetischen Strahlung. Es ist z.B. noch nicht klar, wer eine fachlich einwandfreie Messung garantieren muss.

10) Abmachung verletzt

Baar / Bofeld / Swisscom und Walchwil / Bahnhof / Swisscom
Der Kanton Zug hat mit den Mobilfunkfirmen eine Abmachung unterschrieben mit dem Namen „Standortkaskade“. Es wird darin die Reihenfolge von vier möglichen Bauzonen für den Bau von Mo-bilfunkantennen festgelegt. Swisscom schiebt beim Baugesuch in Baar und Walchwil in eigener Kom-petenz und einseitig noch eine fünfte Zone in diese unterzeichnete Abmachung hinein.

Der Gemeinderat von Baar zieht sich billig aus der Affäre. Bei der Erteilung der Bau-bewilligung schreibt er: Der Kanton hat den Standort von Amtes wegen zu prüfen ??? und weil der Kanton die falsche Bauzone nicht gerügt hat, so will auch der Gemeinderat nichts dagegen sagen.

Nach Vorwürfen an den Gemeindepräsidenten von Baar bittet dieser den Baudirektor und das Amt für Raumplanung um eine Stellungnahme. Der Baudirektor antwortet kurz und pauschal: „Wir handeln im Rahmen von Gesetz und Verordnung“. Den wunden Punkt mit der Standortkaskade erwähnt er mit keinem Wort. Das Amt für Raumplanung nimmt überhaupt keine Stellung.

Fazit: Es wird im Kanton Zug toleriert, wenn sich die Mobilfunkanbieter nicht an die gegenseitigen Abmachungen halten. Verlangte Erklärungen gibt der Baudirektor nicht einmal dem Gemeindepräsidenten.

11) Fehlende Antennentypen

Baar: Bofeld / Swisscom, und Brauerei / Orange & Sunrise, und Spinnerei / Swisscom.
Nach Bundesvorschriften müssen auf dem Standortdatenblatt die verwendeten Antennentypen ange-geben werden, zusammen mit ihren Strahlungsdiagrammen. In letzter Zeit nehmen sich die projektie-renden Büros nicht mehr die Zeit, solche Einzelheiten korrekt auszufüllen. Sie verwenden fiktive Hüllkurven, die ein ganzes Sammelsurium möglicher Antennentypen abdecken.

Während bei der Rechnung die Hüllkurven im Sinne eines „schlimmstmöglichen Falles“ noch sinnvoll sind, so gilt das bei der Abnahmemessung nicht mehr. Dort muss der Neigungswinkel der Antenne auf denjenigen Wert eingestellt werden, der beim Messpunkt die höchste Strahlung ergibt. Geschieht das (z.B. bei Wohnungen tief unter der Antenne) nicht im Hauptstrahl, sondern durch die „Nebenzip-fel“, und kennt man die Nebenzipfel nicht, weil die Antennentypen gar nicht bekannt sind, so kann die Messung nicht mehr ordnungsgemäss durchgeführt werden.

Ich habe Gemeinde und Kanton in den Einsprachen auf diesen Punkt aufmerksam gemacht. Leider ohne Erfolg: Die Gemeinde bemängelt das Baugesuch deshalb nicht, weil auch der Kanton nichts be-mängelt. Beide Instanzen nehmen den Verstoss gegen die Spielregel ganz cool in Kauf. Swisscom schickt nachträglich eine sehr komplizierte Konstruktion, welche die einfachen Tatsachen bloss ver-schleiert. Der Vorwurf wird nicht entkräftet, dass bei fehlenden Antennentypen in Einzelfällen unbe-kannt bleibt, wie die Antenne während der Messung eingestellt werden muss.

Fazit: Auch ein unvollständiges Baugesuch (mit fehlenden technischen Angaben) wird bewilligt. Eine spätere korrekte Abnahmemessung wird dadurch in Einzelfällen verhindert.

zur Folge 1 bitte hier anklicken:
Zug um Zug aus Zug – Folge 1 (unter Recht oder Unrecht)

Von Hans-U. Jakob

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