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Zürcher UMTS-Studie – wissenschaftlich kritisch beleuchtet

Zürcher UMTS-Studie ??? wissenschaftlich kritisch beleuchtet

von Prof. Dr. med. Rainer Frentzel-Beyme ,Bremen 20.6.06

Sog. Replikationsstudie zur TNO-Studie
oder UMTS Base Station-like Exposure, Well Being and Cognitive Performance, von S.J. Regel, et al., EHP online doi: 10.1289/ehp.8934 6. Juni 2006

Die Studie könnte böswillig als eine Farce bezeichnet werden, denn sie hat die TNO-Studie nicht repliziert.
Doch sind Autoren mit gutem Willen an die Sache herangegangen. Was falsch war, denn sie hätten etwas anderes finden können, wenn sie die TNO-Studie exakt kopiert hätten.

Die niederländische Studie hat nämlich:

1. nicht die extreme Auswahl getroffen wie in Zürich (Kriterien für Ausschluss waren u.a. chronische Krankheiten, Schwangerschaft, Schlafstörungen, Alkoholkonsum, Schichtarbeit, Überseeflüge), so dass nicht die übliche belastete Bevölkerung als Versuchsgruppe diente, sondern eine Super-Auswahl.

2. Die Gruppen wurden nicht mit den GSM-Frequenzen belastet, was sie möglicherweise in der TNO-Studie „reif“ gemacht hatte für die Empfindlichkeit gegenüber UMTS. Ein sehr grosser Unterschied, denn die Holländer konnten Daten vergleichen von
a) Trainings-Runde
b) Placebo (0-Strahlung)
c) GSM 900 MHz (D1)
d) GSM 1800 MHz (D2)
e) UMTS 2100 MHz
jeweils immer auf alle Personen angewendet, was wirklich etwas anderes ist.

3. Vom Alter her sind die Gruppen nicht vergleichbar, d.h. zu viele junge Leute. Man hat das Gefühl, die Untersucher wollten nicht wissen, was macht UMTS zusätzlich zu sonstigen Belastungen, denen man gewöhnlich ausgesetzt ist, und wie wirkt sich die zusätzliche Strahlung aus, sondern was macht UMTS bei ausgesuchten Leuten ohne sonstige belastende Eigenschaften wie z.B. Schlafstörungen.

4. Der Belastungsrhythmus war meines Wissens gegenüber der TNO-Studie ein anderer, da nach 20 Min. Unterbrechungen waren, die in Holland nicht berichtet wurden, wo Exposition 45 Min. im Stück erfolgte gegenüber den drei Frequenztypen in unterschiedlicher Reihenfolge. In Zürich gab es keine Reihenfolge in dem Sinne. sondern nur zwei anschliessende gesendete – je Gruppe gemischt applizierte? – Frequenzintensitäten 1 und 10 V/m – und somit keine Möglichkeit der Sensitisierung durch D1 und D2-Wellen.

Soviel zu Methoden.

Ergebnisse:

Zwei Fragebogenarten wurde verwendet.
Mit dem Züricher Typ ergeben sich in Tabelle 1 Score-Summen über 2 bis 2,6, gleichgültig ob
a) Sensitive oder
b) Nich-Sensitive befragt und
ob
c) UMTS eingeschaltet war oder nicht.

Hier stutzt der Fachmann bereits.
Mit dem TNO-Fragebogen ergaben sich dagegen Scores um 10 herum bei Sensitiven und um 5 bei Nicht-Sensitiven.
Der TNO-Fragebogen konnte demnach die Empfindlichen von den anderen gut trennen.

Tabelle 3 ergibt bei anderer Anordnung bereits den interessanten Hinweis darauf, dass Sensitive das reale Feld häufiger erkannt haben (Odds Ratio 1.39-fach) als Nicht- Sensitive.
Ausgelassen wurden durch die Autoren 29 Personen, die angeblich kein Feld erkannt haben. Wie kommt es dann, dass die sham-Exposition (= kein Feld) von den restlichen als „Feld“ erkannt wurden ??? oder muss die Legende der Tabelle geändert werden, weil für die Ausgeschlossenen als Begründung angegeben wird, sie hätten in allen drei Konditionen kein Feld erkannt, was bei sham ja auch in keinem Fall möglich sein dürfte.

Als Ergebnis der statistischen Auswertung wird gesagt, dass die Verteilung der Befundgruppen auch per Zufall auftreten und somit erwartet werden konnte. Das mag stimmen, doch waren die Sensitiven eindeutig öfter positiv und richtig bei der Erkennung der realen Felder (17 von 30 = 58 %) als die Nicht-Sensitiven (22 von 49 = 44,5 %), was m. E. vernachlässigt wird und nicht ohne weiteres als „expected by chance“ abzutun ist.

Die Autoren gestehen zu, dass unabhängig von der Einwirkungsstärke die empfundene Belastungsintensität bei Sensitiven in 68% mit Unwohlsein korrelierte und in 64% der Nicht-sensitiven, beide Male statistisch gesichert erhöht.
Gleiche Befunde sollen sich mit den TNO-Daten gezeigt haben, die Daten werden aber nicht gezeigt und auch nicht explizit genannt (d.h. keine Prozentangaben usw.). Warum nicht, bleibt rätselhaft.

Die auffallendste Quelle von Befunden war das objektive Testen von kognitiven Leistungen. Hier ergaben sich für die Nicht-Sensitiven Befunde, wo in der TNO-Studie nichts zu finden gewesen war. In der Gedächtnisprüfung (1-back-Task) fand sich bei Nicht-Sensitiven eine Verminderung von null Exposition (sham) zu 10 V/m in einer Sitzung, was als nicht erwünschter Effekt gelten muss und zunächst nicht wegerklärt wird, zumal es bei der UMTS-Exposition der TNO-Studie nicht vorkam.

Ausserdem würde ein Argument nicht mehr zutreffen: Die Studie soll gegenüber der TNO-Studie mit 2 Gruppen zu 36 Personen eine Verbesserung ergeben haben, da zwei Gruppen mit 33 und 84, gesamt 117 einbezogen wurden. Hätte man bspw. 250 Personen untersucht, wären die Ergebnisse durchaus im Bereich einer stärkeren Ausprägung mit grösseren Zahlen und dann nicht mehr zufällig verteilt gefunden worden?

Mir erscheint daher die Formulierung in der Zusammenfassung nicht einleuchtend, wenn auch nicht direkt falsch: Die Effekte waren marginal (aber dann doch erkennbar?) und konnten auch durch Zufall gefunden werden. Das ist ausgewichen und so ausgedrückt, dass man nichts mit den Befunden anfangen kann, aber auch keine absolute Sicherheit hat, dass nichts gefunden wurde.

Es bleibt also die mit der TNO-Studie erstmals beschriebene Unsicherheit, was sich bei
a) älteren Personen an Beschwerden ergeben wird, denn bei der TNO-Studie waren die Sensitiven etwa 10 Jahre älter als die Nicht-Sensitiven,
b) mittelbare Folgen bei längere als der 45-minütige Exposition (d.h. Tag und Nacht permanent) einwirkenden Frequenz empfunden wird.
c) Dass sich ohne die TNO-Studie aus der jetzt vorgelegten Studie zwar kein starker Verdacht ergeben hätte, doch keinesfalls zutrifft, was von Barmüller leichthin behauptet wurde: Die TNO-Studie sei „korrigiert“ worden.

Von Hans-U. Jakob

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