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Zürcher Antennenwald. So nicht, Herr Ledergerber!

Zürcher Antennenwald.

So nicht, Herr Ledergerber !

Hochbaudepartement der Stadt Zürich
Der Vorsteher
Haus Metropol, Fraumünsterstrasse 14
Postfach
8027 Zürich

Herrn u. Frau
K. und M. Koller
Kuppelstrasse 11
8800 Thalwil

Zürich, 10. April 2001

Mobilfunkantennen

Sehr geehrte Herr und Frau Koller

In Ihrem Schreiben vom 2. April 2001 beziehen Sie sich auf einen Bericht des Tages-Anzeigers vom 2. April 2001. Sie äussern schwere Bedenken gegenüber Mobilfunkantennen und deren Strahlung und können nicht verstehen, weshalb auch die Stadt Zürich – unter einschränkenden Bedingungen – Standorte für solche Antennen zur Verfügung stellen will.

Das Thema ist in einen grösseren Zusammenhang zu stellen. Mobilfunkantennen auf privaten Liegenschaften müssen von den Baubehörden bewilligt werden, wenn sie die bau- und umweltrechtlichen Bedingungen wie namentlich die bundesrechtlichen Anlage- und Immissionsgrenzwerte einhalten. Grundsätzlich kommt jeder Standort in der Bauzone in Frage. Nun ist zu beachten, dass die Strahlenbelastung der Nachbarschaft tendenziell desto geringer ist, je stärker eine Antenne die benachbarten Gebäude überragt. Es geht darum, die Standorte auch in dieser Hinsicht zu optimieren. Die Stadt Zürich ist bereit, im Interesse der Bevölkerung ihren Beitrag zu leisten und geeignete Antennenstandorte anzubieten. Gleichzeitig wird sie aber für die stadteigenen Standorte Bedingungen festsetzen, die strenger sind als die bundesrechtlichen. Wie diese Bedingungen im Einzelnen aussehen sollen, ist noch Gegenstand laufender Arbeiten.

Es zeigt sich, dass eine generelle Antennensperre auf städtischen Liegenschaften der Bevölkerung keinen Dienst erweisen würde, ganz im Gegenteil. In diesem Sinne ersuche ich Sie, Ihre Haltung nochmals zu überdenken.

Mit freundlichen Grüssen
Vorsteher des Hochbaudepartements

gez. Elmar Ledergerber, Stadtrat

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K. und M. Koller
Kuppelstrasse 11
8800 Thalwil

17.4.2001

An das Hochbaudepartement der Stadt Zürich
zu Handen Herrn E.Ledergerber, Vorsteher
Haus Metropol, Fraumünsterstrasse 14
Postfach
8027 Zürich

Sehr geehrter Herr Ledergerber

Wir danken Ihnen für Ihren Brief vom 10. April 2001, mit dem Sie Bezug nehmen auf unseren Le-serbrief im TAGESANZEIGER vom 2. April 2001.

Leider vermag Ihre Antwort unsere Bedenken nicht zu zerstreuen. Wir sind ziemlich gut darüber informiert, unter welchen Beschwerden heute schon unzählige Menschen infolge der elektromagnetischen Strahlung durch Mobilfunkantennen leiden, und dies vielerorts sogar noch bei um das Hundertfache tiefer liegenden Werten als jenen, die in der bundesrätlichen NIS-Verordnung festgesetzt sind. Diese Werte beruhen auf Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICNIRP), die stets als unabhängiges Gremium bezeichnet wird. Wir sind aber auch in dieser Hinsicht bestens informiert und möchten hier Folgendes klar stellen:

Die ICNIRP hat Richtlinien herausgegeben, die lediglich die thermischen Wirkungen (Erwärmung des Gewebes) berücksichtigen, und davor schützen sie im Grossen und Ganzen auch. Völlig unberücksichtigt geblieben sind die athermischen biologischen Wirkungen. Diese aber sind es, die die Menschen krank machen, nicht nur in Zürich oder in der Schweiz, sondern in ganz Europa, ja weltweit. Uns liegen zahlreiche Berichte vor, die sich wie ein Ei dem anderen gleichen.

Zudem ist die ICNIRP überhaupt kein neutrales und unabhängiges Gremium, sondern sie ist völlig von der interessierten Wirtschaft unterwandert (ähnlich wie im Fall der Tabaklobby). Die ICNIRP weigert sich strikte, Studien, die die verhängnisvollen, krank machenden athermischen Wirkungen bewiesen haben, auch nur zur Prüfung anzunehmen, geschweige denn anzuerkennen und danach zu handeln, wohl wissend, dass das ein weltweites Moratorium für den Bau von Antennen, ja die Infragestellung der ganzen gegenwärtig benutzten Technologie zur Folge hätte. Wir behaupten dies nicht nur, sondern wir haben dafür hieb- und stichfeste Beweise, die wir jederzeit auf den Tisch legen können.

Wenn in der NIS-Verordnung die ohnehin nutzlosen Werte, weil sie nur die thermische Wirkung berücksichtigen, um den Faktor 10 herabgesetzt wurden, so ist das eine reine Alibiübung, wie sich dies in der Praxis heute schon erwiesen hat. In der gleichen Verordnung steht aber auch, dass neben wissenschaftlichen Erkenntnissen die Erfahrungen berücksichtigt werden müssten. Die Erfahrungen hingegen sprechen eine sehr deutliche Sprache! Unzählige sind bereits heute irreversibel geschädigt. Leider steht in dieser unseligen und total unwirksamen Verordnung, dass die Einhaltung der Grenzwerte und der Schutz der Personen nur dann zu gewährleisten ist, wenn dies technisch und betrieblich machbar und wirtschaftlich tragbar ist. Mit anderen Worten: Ist die betriebliche und technische Machbarkeit und die wirtschaftliche Tragbarkeit nicht an-ders zu erreichen, dürfen Menschen verstrahlt und somit geschädigt werden. Die Wirtschaft erhält also einen Freipass, das Volk lässt man ganz einfach im Regen stehen. Zudem ist es nicht die Schuld des Volkes, dass sich die Behörden, die die Richtlinien aufgestellt haben, allen voran der Bundesrat und die Bundesämter, nicht vor Einführung dieser Technologie über deren Auswirkungen besser kundig gemacht haben und die Verantwortung für den Vollzug der Verordnung nun auf Gemeinden und Kantone abschieben. Es ist ungeheuerlich, dass eben dieses Volk, rechtlos und schutzlos den Interessen der Wirtschaft und der Politik ausgeliefert, jetzt die Suppe auszulöffeln hat, die ihm eingebrockt wurde.

Was jetzt die Antennenstandorte in der Stadt Zürich betrifft, so können wir den Satz nicht akzeptieren: je höher der Mast, desto geringer die Strahlung auf die umliegenden Häuser. Diese Aussage kann niemals von einer neutralen Stelle gemacht worden sein. Was Ihnen die Vertreter der Wirtschaft und die von ihr benannten oder in ihrem Auftrag stehenden „unabhängigen Experten“ erzählen, müssten Sie ernsthaft hinterfragen. In Wirklichkeit strahlt eine Antenne Hunderte von Metern über den Freihaltebereich hinaus, und zwar keulenförmig, nicht etwa waagrecht, wie „eine Pizza“, wie dies die Mobilfunkbetreiber der Bevölkerung und den Behörden gerne weis machen wollen. Der Strahl wird in jedem Fall nach unten gerichtet, weil sonst niemand telefonieren könnte. Es lässt sich also überhaupt nicht vermeiden, dass zwangsläufig eine grosse Zahl von Menschen in der Sendekeule leben müssten und ev. sogar infolge der dichten Besiedelung von mehreren Antennen gleichzeitig bestrahlt würden.

Daraus und aus den bisherigen Erfahrungen, die wir x-fach belegen können, ergibt sich, dass die Werte mindestens um das Tausendfache der jetzigen gesenkt werden müssten, um die Bevölkerung vor Gesundheitsschäden zu schützen. Dagegen wird sich die Lobby aber sicher energisch zur Wehr setzen, denn sie ist ja mit den heutigen Werten schon mehr als unzufrieden. Wie Sie also Senderstandorte bei unbedenklichen Grenzwerten zur Verfügung stellen wollen, ist uns leider nicht ersichtlich, dies kommt der Quadratur des Kreises gleich.

Sehr geehrter Herr Ledergerber

Wir haben einschlägige Kongresse besucht und stehen mit unabhängigen Wissenschaftern des In- und Auslandes in ständiger Verbindung, deren Studien wir ausgiebig studiert haben und dies immer noch tun. Die Betonung liegt dabei auf „unabhängig“, denn die Lobby wird Ihnen unserer Erfahrung nach sofort mit Studien kommen, die das Gegenteil beweisen. Dann ist sehr darauf zu achten, von wem diese in Auftrag gegeben und finanziert wurden.

An den Tausenden und Abertausenden von Unterschriften landesweit, mit denen sich Bewohner gegen die unfreiwillige Bestrahlung wehren, sogar kostspielige Gerichtsverfahren mit den entsprechenden Anwaltskosten auf sich nehmen, mögen Sie erkennen, dass wir hier einem noch nie dagewesenen Desaster entgegen gehen. Noch nie mussten Menschen vor Gerichten um ihr Recht auf Leben, das ihnen gemäss der Verfassung zusteht, kämpfen.

Wir sind der Ansicht, dass eine Antenne mit ihrer gesundheitsschädigenden Wirkung gar nicht mit einem normalen Bauvorhaben zu vergleichen ist. Es wäre also an der Zeit, dass einmal ein mutiges Zeichen gesetzt würde, wie dies in manchen Städten schon geschehen ist (jüngstes Beispiel: Regensburg bewilligt keine Antennengesuche mehr).

Wir schlafen seit mehr als einem Jahr im Keller, wie zu Kriegszeiten, weil wir es in unserem Schlafzimmer nicht mehr aushalten, und das mitten im Frieden und in der freien Schweiz! Aber offenbar befiehlt die Wirtschaft (und die Politik!), wie viele Menschen verstrahlt werden dürfen, wenn nur der Rubel rollt. Eine willfährige Presse, im Verein mit einer zahlungskräftigen Lobby (Inserate), verhindert ausserdem kontinuierlich und offenbar erfolgreich die korrekte Information der Bevölkerung über die Gefahren. Behörden machen es sich leicht mit dem sattsam bekannten Satz: „Alle wollen mobil telefonieren, aber niemand will eine Antenne.“ Gehandelt wird wahrscheinlich erst, wie schon auf anderen Gebieten des Umweltschutzes, wenn es zu spät ist, nach dem Grundsatz: „zuerst ruinieren, dann reparieren.“ Völlig unbegreiflich ausserdem, dass man bis heute noch keine Untersuchungen über die voraussehbaren volkswirtschaftlichen Schäden wegen Krankheit, Arbeitsunfähigkeit und letztlich als Folge davon, durch den Ausfall von Steuergeldern, angestellt hat. Wird dann die Lobby einspringen? Den Versicherungen ist das Risiko viel zu gross, darum ist keine einzige Versicherung bereit, Schäden, verursacht durch den Mobilfunk, zu versichern. Krankenkassen halten sich durch Prämienerhöhungen schadlos, und wieder bleibt alles beim Geschädigten hängen.

Ungeschützt bleiben als erstes die Schwächsten unserer Gesellschaft: die Kinder, die Alten, die Kranken, die Schwangeren und die immer grösser werdende Gruppe der Elektrosensitiven, die mit ca. 4% der Bevölkerung veranschlagt wird – Tendenz stark steigend. Sie können nun selbst anhand der Zürcher Bevölkerung ausrechnen, wie viele Menschen vom Elektrosmog durch Antennen krank, ar-beitsunfähig, ja sogar obdachlos werden, weil sie nirgends mehr eine sichere Bleibe finden. Betrach-ten Sie es bitte einmal von dieser Warte und überlegen Sie, ob das nicht eine echte Ungeheuerlichkeit ist.

Im Schlusssatz Ihres Briefes sprechen Sie vom Dienst, den man der Bevölkerung mit einer Antennensperre verweigern würde. Welchen Dienst? Dass man jederzeit von jedem Ort nach jedem anderen Belieben telefonieren kann, nachdem dieses Bedürfnis von der Wirtschaft künstlich geweckt wurde und jetzt zu befriedigen ist? Es wäre viel eher zu überlegen, ob man nicht jenen Menschen einen Dienst erweisen müsste, die schon heute, krank und geschädigt, endlich wieder gesunden und wieder einmal eine Nacht richtig schlafen dürften. Darauf hat jeder Mensch, so meinen wir, ein Recht, ja ein elementares Menschenrecht, das ihm nicht genommen werden darf.

Mit freundlichen Grüssen

K + M. Koller

Von Hans-U. Jakob

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