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Strahlen-Alarm in Albertlis Heimat

Strahlen-Alarm in Albertlis Heimat

Von Ueli Daepp, im Anzeiger St.Gallen 23/24.4. 02
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag

Wer kennt die «Albertli»-Kinderbücher nicht? Paradiesisch präsentiert sich
darin der Hirschberg hoch über Appenzell. Jetzt herrscht dort Antennen-Alarm:
Tiere und Menschen erdulden Qualen.

Matzenauers Hund kratzte sich „halb tot“. Jetzt schläft er unter einem Strahlenschutz-Netz, das sonst in der Armee eingesetzt wird, um sich vor Radarstrahlen abzuschirmen. Auch das Ehepaar Matzenauer und ihr Sohn Thomas haben ein solches Netz rund um das Bett hängen. So finden sie wenigstens nachts „Ruhe“, tagsüber flüchten sie aus dem Haus. „Wir halten es keinen Tag hier aus“, erzählt Josef Mazenauer vor seinem schönen Appenzellerhaus.

Schreiner Mazenauer leidet – wie seine Mitbewohner auch – unter möglichen
Auswirkungen der nahen Antenne. Häufig findet er keinen Schlaf, fühlt sich
nervös, leidet unter Bluthochdruck, Ohrensausen und Rheumatismus. Seine Frau
klagt zu all dem über notorische Zahnschmerzen. Auch ihre Nachbarn stöhnen.
Marianne Sutter: „Wir schlafen schlecht, haben Kopfschmerzen und Pech im
Stall.“ So viel Pech wie momentan sei nicht mehr normal. Ihre Schweine seien
nicht mehr widerstandsfähig. Ferkel und Muttersauen verenden weit häufiger
als früher.

Schlimm getroffen hat es Werner Räss. Auch er bewirtschaftet
direkt neben der 79 Meter hohen Hirschberg-Antenne ein „Hämetli“. Und auch
er klagt über besonders viel Pech im Stall. „Vor drei Jahren begann es mir
aufzufallen: Die Kühe hatten häufig Fehlgeburten.“ Anfangs glaubte er noch
an Zufall. Doch inzwischen muss er froh sein, wenn überhaupt noch gesunde
Tiere bei ihm zur Welt kommen. In drei Jahren hatte er 25 (!) Totgeburten,
vorher waren es eine bis zwei pro Jahr. Und damit nicht genug: Auch vier
Kühe verlor er letzten Winter, gestorben an Vereiterungen. Für Räss, der
seine Kühe gern hat, eine Katastrophe! Ihn schmerzt, wie seine Tiere leiden,
ihre Wunden nicht mehr verheilen, ihre Kniegelenke anschwellen.

Woher kommt so viel Pech im Stall – abgesehen von den eigenen gesundheitlichen Störungen? Räss hat jede Kuh auf ihr Blut untersuchen lassen, bezahlte dafür einige tausend Franken. Die Blutwerte waren normal. Auch der Tierarzt und
der Rinder-Gesundheitsdienst fanden nicht heraus, woran die Tiere kränkeln,
so sagt Werner Räss dem Anzeiger. Ist es Zufall, dass auch die Tiere seines
Nachbarn, Bauer Albert Fritsche, häufig entzündete Euter und Gelenke
aufweisen?

Die Bewohner auf dem Hirschberg beobachten noch weitere Phänomene:
Vorbeiziehende Vögel weichen der Antenne grossräumig aus, nisten nicht mehr
im Tenn der Fritsches, seit die Antenne steht. Und Katzen sehe man in den
üppigen Wiesen um die Antenne kaum mehr beim Mausen.

Obwohl die Situation längst alarmierend ist, gibt sich der Innerrhoder Baudirektor Hans Sutter äusserst zurückhaltend. Er vermutet zwar, dass es in Einzelfällen auch zu gesundheitlichen Störungen beim Menschen und zu Verhaltensstörungen bei Tieren kommen konnte. Doch wissenschaftlich sei nichts gesichert.

Aufgeschreckt durch „eine Welle von Arztzeugnissen“ hat jetzt wenigstens der Leiter des Amtes für Umweltschutz, Fredy Mark, das Heft in die Hand
genommen. Etwa ein Dutzend antennengeschädigte Einwohner haben ihre
Besorgnis erregenden Arztzeugnisse bei der Regierung deponiert. Baudirektor Hans
Sutter zeigt zwar Verständnis, hat auch eine Strahlenmessung veranlasst,
aber das war es dann auch schon.
Statt den Geschädigten endlich zu helfen, werden unermüdlich Gesetzesparagrafen zitiert, und es wird auf eingehaltene „Grenzwerte“ verwiesen.

Man wird den Eindruck nicht los, dass am Hirschberg gar manche krumme Tour gelaufen ist. Behörden und Antennenbetreiber haben mehrfach versagt: Zuerst verpassten sie es 1995, die Anwohner speziell über die Errichtung der 75 Meter hohen Antenne zu informieren. Später wurde die Anlage sukzessive aufgerüstet, ohne dass die Bewohner informiert worden wären. Ohne öffentliches Baugesuch durfte bald auch die
Mobilfunkgesellschaft Orange von diesem Mast aus senden. Und zu all dem
musste jetzt auch noch die SRG-Radiogesellschaft zugeben, dass sie auf dem
Hirschberg den „Hahn“ etwas gar weit aufgedreht hat. Sie sendete
verbotenerweise mit der dreifachen Leistung, statt mit 100 Watt mit 300
Watt! „Wir waren uns dessen nicht bewusst“, versichert SRG-Sprecher Damien
Corti dem Anzeiger.

Wie viele Kühe und Schweine wohl noch verenden müssen,
bis die Alarmzeichen in Appenzell ernst genommen werden? Strahlenfachleute
und Taubenzüchter erzählen es sich ja schon lange: Der Kantonshauptort –
umgeben von Antennen am Hirschberg, Kamor und Säntis – hat eine ganz
besondere Ausstrahlung.

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Zum Fall Hirschberg gibt es weitere Zahlen

Anmerkungen von Hans-U.Jakob, 29.4.02

Auf dem Hirschberg gingen seit Inbetriebnahme des Senders insgesamt 18 Kühe ein. Die 4 toten Tiere in oben erwähntem Text beziehen sich allein auf das Jahr 2002.
Von zum Teil schwer erkrankten Menschen wurden bis heute insgesamt 20 Arztzeugnisse bei der Kantonsregierung deponiert.

Der Appenzeller Baudirektor, auch Bauherr genannt, hat die erkrankten und geschädigten Anwohner von der Pressekonferenz vom 17.4.2002 elegant ferngehalten, indem er diesen für den Beginn eine falsche Zeit angab. 13.30 statt 9.30Uhr. Er begründete dies im Nachhinein damit, dass er eine anständige und würdige Pressekonferenz haben wollte. (!)

Für technisch und medizinisch Interessierte:

Auf dem Hirschberg-Sendemast sind nebst 3 Mobilfunkgesellschaften auch die Schweizer UKW-und Fernsehstationen mit recht bescheidenen Sendeleistungen von max. je 100 bis 350Watt ERP vertreten. Währenddem die Mobilfunker bis zu 700Watt ERP abstrahlen.
Relevant sind jedoch nicht die installierten Leistungen, sondern das was bei den Geschädigten ankommt.

Die E-Feldstärken betrugen bei Bauer Räss (Summe aller Sender):
Im Stall: 0.7V/m
Auf der Weide: 2.8V/m
Der Anteil fremder Sender (Kamor, Säntis usw.) betrug auf der Weide 0.4V/m von insgesamt 2.8V/m

Innerhalb der 4 nächstliegenden Wohnungen wurden E-Feldstärken (Summe aller Sender) von 0.7V/m, 1.6V/m und 2V/m festgestellt.
Der höchste gemessene Wert war lediglich auf einem vereinzelten Punkt in einem Zimmer im 1.Stock mit 3.5V/m zu finden.

Somit waren die für Mobilfunk gültigen Anlagewerte (Vorsorgewerte) von 4 resp. 6V/m überall bestens eingehalten. Sogar die Vorsorgewerte im UKW und TV-Bereich von 3V/m
lagen mit einer kleinen, gesuchten Ausnahme innerhalb der Limiten und waren nicht massiv überschritten, wie Presse und Fernsehen fälschlicherweise behaupteten.
Das heisst mitnichten, dass die Schäden auf dem Hirschberg nicht vom Sender stammen können, sondern es wird klar und deutlich aufgezeigt , dass die überall in Europa hochgelobten, 10mal besseren Schweizer Grenzwerte NICHTS aber auch gar nichts taugen.

Die Messungen wurden vom Schweizer Bundesamt für Kommunikation vorgenommen und von mir teilweise nachgerechnet und können als glaubwürdig betrachtet werden.

Wer die E-Feldstärken von V/m (Volt pro Meter) in die Leistungsflussdichte W/m2 (Watt pro Quadratmeter) umrechnen möchte, kann das mit folgender Formel tun:

S = E*E / 377 (S in Watt pro m2 und E in V/m)

Uebrigens: Unsere Erfahrungswerte zeigen, dass Ziegen schon bei 0.25V/m nach 18 Monaten eingehen. Tote Kühe bei 0.7V/m im Stall und 2.8V/m auf der Weide erstaunen uns deshalb überhaupt nicht.

Siehe auch unter folgenden internen Links:

Gewaltige Mobilfunkschäden auf deutschen Bauernhöfen (unter Gesundheit und Leben)

Erneut Schäden durch Mobilfunk-Sendeantenne auf Bauernhof (unter Gesundheit und Leben)

Von Hans-U. Jakob

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