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Sensationelles Bundesgerichtsurteil!

Sensationelles Bundesgerichtsurteil

Das Bundesgericht verbietet ab sofort allen Instanzen, Baueinsprachen und Baubeschwerden, die von juristischen Laien eingereicht werden, infolge von Formfehlern abzuweisen.

Hans-U.Jakob,15.8.2002

Jetzt hat das Bundesgericht in Lausanne in Sachen Mobilfunk eindeutig eine Trendwende eingeläutet.
Schon mit der neuen Regelung zur Einsprache- und Beschwerdeberechtigung mit der Anwendung der äussersten Isolinie von 0.5V/m, vom 25. Februar dieses Jahres hatte das Bundesgericht den Kreis der Berechtigten um mehr als das Doppelte erhöht.
Damals glaubten wir noch an einen Irrtum der Bundesrichter/Innen infolge mangelnder technischer Kenntnisse. Dass dem nicht so ist beweist der neueste Richterspruch aus Lausanne.

Es ist ab sofort die Plicht jedes Verwaltungsgerichtes (und damit auch aller übrigen Instanzen. Red.) Laien-Beschwerdeführer auf Mängel in ihren Rechtsschriften aufmerksam zu machen und diesen eine angemessene Frist zur Behebung einzuräumen, schreibt das Bundesgericht. Laienbeschwerdeführer seien nicht in der Lage, juristische Spitzfindigkeiten zu beherrschen und deshalb werde das Verbot des überspitzten Formalismus jetzt restriktiver angewendet.

Es gehe nicht an, das Prozess- und Beschwerderecht buchstabengetreu anzuwenden, ohne nach dem eigentlichen Sinn einer Beschwerde zu fragen.

Zu einer Rüge ans Verwaltungsgericht zu gelangen, sei das Recht aller natürlichen Personen, sagt das Bundesgericht weiter, auch wenn diese weder die juristische Form eines Vereins noch einer Gesellschaft noch einer Firma habe, ganz unabhängig von der Befugnis in der Sache selbst. Hier ging es um eine lose Einsprechergruppe, deren Beschwerde kurzerhand ungelesen zurückgeschickt wurde.

Die Zeiten der Verweigerung des rechtlichen Gehörs gegenüber Einzeleinsprechern und losen Gruppierungen infolge kleinerer oder grösserer Formfehler sind also ein für allemal vorbei. Behörden, Aemter und Gerichte müssen ab sofort, auch wenn sie noch so Mobilfunk-angefressen sind, mit den Verfassern von Beschwerden, welche Formfehler enthalten, Rücksprache nehmen und diesen angemessene Fristen zur Behebung setzten. Dazu gehört selbstverständlich auch die entsprechende Belehrung (sprich Beratung)

Das wird einigen bernischen Regierungsstatthaltern (ja nicht etwa allen) und den Winkeladvokaten der Mobilfunker, noch lange weh tun. Besonders denjenigen von Orange, die jetzt noch den ganzen Bundesgerichtshandel bezahlen, und auf dem vorgesehenen Standort noch während Monaten, ev. Jahren, nicht bauen dürfen. Wenn überhaupt!?

Die Nummer des Bundesgerichtsentscheides und weitere Details werden wir publizieren, sobald wir im Besitz des gedruckten Urteils sind.

Nachtrag vom 18.9.2002

Das Urteil 1A/802002/sch vom 18.6.2002 liegt nun in schriftlicher Form vor und enthält für unsere Seite weitere sensationelle Enthüllungen.

Hat zum Beispiel jemand gewusst, dass ein vom Bundesgericht erlassenes Verbot des überspitzten Formalismus bei der Behandlung von Einsprachen und Beschwerden besteht?

Hier der O-Ton Bundesgericht:

„Ueberspitzter Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsmittel übertriebene Anforderungen stellt und damit dem Bürger den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt.

Das Verbot des Ueberspitzten Formalismus weist einen engen Bezug zum Grundsatz von Treu und Glauben auf: Das Bundesgericht hat mehrmals entschieden, dass es überspitzt formalistisch sei, eine Prozesserklärung buchstabengetreu auszulegen, ohne zu fragen, welcher Sinn ihr vernünftigerweise beizumessen sei.

Aus dem Verbot des überspitzten Formalismus folgt sodann die Pflicht, den Beschwerdeführer bzw. dessen Vertreter auf Mängel in einer Rechtsschrift aufmerksam zu machen und ihnen eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels anzusetzen.“

Und aus einer weiteren Abhandlung geht noch hervor, dass das Verbot des überspitzten Formalismus umsomehr gelte, wenn die Einsprache oder die Beschwerde von einem juristischen Laien stamme.

Kommentar:
Jetzt ist es eindeutig geklärt:
Einsprachen und Beschwerden gegen Mobilfunkantennen können ohne Beizug eines Anwaltes bis vor Bundesgericht gezogen werden. Und alle Instanzen sind verpflichtet, die Beschwerdeführer auf Mängel in ihren Rechtsschriften aufmerksam zu machen und vernünftige Fristen für deren Behebung zu setzten. Endgültig vorbei ist die Zeit, in welcher Einsprachen gegen Mobilfunksender infolge Formfehlern bereits auf den Gemeindeverwaltungen gleich korbweise dem Reisswolf übergeben wurden.
Selbst wenn, wie im vorliegenden Fall noch hunderte von Vollmachtserklärungen eingeholt werden müssen, weil das Komitee, welches als Schriftführer einer riesigen Einsprechergruppe waltete, keine geeignete Rechtsform besass.
Für die Winkeladvokaten der Mobilfunkbetreiber sind wahrlich schwere Zeiten angebrochen.

Bei Einsprachen und Beschwerden gegen Mobilfunkantennen gibt es laut Bundesgericht auch kein Aufheben der aufschiebenden Wirkung. Mit dem Bau einer Antenne kann erst begonnen werden, wenn alle Einsprachen und Beschwerden durch alle Instanzen abgelehnt worden sind. Und das kann dauern.

Das Gigaherz-Team spricht Frau R.L. gigaherzlichen Dank für ihre Beharrlichkeit aus, die Sache bis vor Bundesgericht gebracht und einen derart bedeutungsvollen Sieg errungen zu haben.

siehe auch:

Bundesgericht legt den Mobilfunkbetreibern ein gewaltiges Osterei (unter Recht und Unrecht)

Von Hans-U. Jakob

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