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Orange zieht sich aus Wuppenau zurück

Orange zieht sich aus Wuppenau zurück

Ausserhalb von Wohn- Industrie- oder Gewerbezonen muss, um eine Baubewilligung für einen Mobilfunksender zu erwirken, der Beweis der Standortgebundenheit erbracht werden.
Behauptungen, dass nur gerade dieser Standort in Frage komme, sind neuerdings, laut Bundesgericht, als reine, unbewiesene Parteibehauptungen zu betrachten, solange diese nicht mit zuverlässigen Netzabdeckungskarten einwandfrei belegt sind. Die Netzabdeckungskarten müssen auch den Einsprechern zugänglich gemacht werden.
Diese Praxis bringt die Mobilfunker zunehmend in Schwierigkeiten, wie nachfolgendes Beispiel zeigt.

Ein Bericht von Ueli Schelling, Wuppenau, 22. Mai 2004

Der Beweis der Standortgebundenheit wurde nicht erbracht:
In einem trockenen Brief teilte Orange der Gemeindeverwaltung Wuppenau am 11.5.2004 mit, dass sie ihr Baugesuch beim Schulhaus zurückzieht. Das ist das vorläufige Ende einer mehr als dreijährigen Kontroverse, die letztlich allein am „sturen“ Widerstand der Bevölkerung scheiterte. Der Rückzug der Firma Orange war wohl darin begründet, dass sie die vom Verwaltungsgericht geforderten zusätzlichen Begründungen der technischen Standortgebundenheit nicht erbringen konnte.

Die Leidensgeschichte in Kurzform:
Im Frühjahr 2001 reichte Orange ein Baugesuch für einen Standort an der Grenze zum Schulhaus Wuppenau ein. Sofort erhob die Schulbehörde Einsprache. Es bildete sich in der Folge ein Verein „KABS“ (keine Antenne beim Schulhaus). Diesem Verein gelang es in wenigen Tagen mehr als 200 Unterschriften zu sammeln und als Einsprache bei der Gemeinde zu hinterlegen. Praktisch alle Haushalte innerhalb von 1000m hatten unterschrieben.
Das Dorf Wuppenau TG liegt in einem Talkessel, in welchem ca. 200 Haushalte von einer Mobilfunkantenne versorgt werden können. Eine Antenne der Swisscom übernahm bis anhin die Versorgung für alle Mobilfunkanbieter. Der Standort der Antenne befand sich ausserhalb der Wohnzone, aber in einer Landschaftsschutzzone, einer Zone von archäologischen Funden und grenzte zudem an die Waldzone. Obwohl das Amt für Umwelt diesen Zonenplan weniger als ein Jahr vorher geprüft und somit in Kraft gesetzt hatte, bewilligte es jetzt diesen Standort. Das Grundstück gehörte dem Kanton Thurgau und war scheinbar deshalb ausgewählt worden, weil der Kanton die lückenlose Abdeckung mit Mobilfunkantennen unterstützte.

Der massive Widerstand veranlasste die Gemeindebehörde mit Orange zusammen einen alternativen Standort zu suchen. Die Suche resultierte in einem Standort, der sich nur 50 Meter weiter von Schulhaus entfernt befindet. Die Reaktion der Bevölkerung war entsprechend kritisch. Bei diesem Standort gab es noch mehr Einsprachen. Die Gemeindebehörde lehnte den ersten Standort ab, bewilligte aber der zweiten , da sie bei der Evaluation selbst aktiv war. Dies führte zur paradoxen Situation, dass nun zwei praktisch nebeneinanderliegende Standortgesuche der Orange ihren Weg durch diverse Instanzen machten. Der Anwalt von Orange fühlte sich hintergangen und „versprach“ den Wuppenauer eine Antenne, koste es, was es wolle!
Die Schulbehörde setzte eine Kommission unter der Leitung von Ueli Schelling und unter Einbezug anderer Einsprecher ein. Diese legte der Gemeindeversammlung den Antrag vor, beide Standorte mit allen legalen Mitteln zu bekämpfen. Der Antrag mit einer finanziellen Dotierung wurde ohne Gegenstimme angenommen. Mit diesem Auftrag war die Kommission legitimiert, den Widerstand aufzubauen. Dies geschah mit Hilfe eines Anwalts, um die rechtliche Sicherheit zu gewährleisten.

CEO A. Wetter „vergass“ sein Versprechen
Auf einer zweiten Schiene wurde die Kommunikation zur Firma Orange gesucht. Dabei stiess man aber auf wenig Verständnis. Auch ein mündliches Versprechen von CEO A. Wetter, er werde sich persönlich um die Sache kümmern und ein Antwort geben, verlief im Sand. Ganz im Gegenteil, beide Standortgesuche landeten schliesslich vor dem kantonalen Verwaltungsgericht. Dieses legte die beiden Verfahren zusammen. Aus dem Urteil des Gerichts ging klar hervor, dass der weiter entfernte Standort bevorzugt würde. Das Gericht gab der Einsprechergruppe insofern recht, dass es nicht erwiesen sei, warum eine technische Standortgebundenheit gegeben sei, da der Standort zonenfremd sei und die Wohnzone nur ca. 50m resp. 100m entfernt sei. Die Interessen der Anwohner seien insofern höher zu gewichten als die Bejahung des funktechnischen Vorteils dieses Standorts. Das Gericht gab das Verfahren an das Dept. für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau für die technische Abklärung der Standortgebundenheit zurück. Dieses stellte Orange drei Fragen:

-warum kommt kein anderer Standort innerhalb der Bauzone in Frage?
-Warum kommt kein anderer Standort ausserhalb der Bauzone in Frage?
-Ist die Mitbenützung der bestehenden Swisscom-Antenne möglich? Wenn nein, weshalb? (Roaming-Vertrag)

Auf diese drei Fragen antwortete Orange mit einer Anfrage bei Swisscom für einen Roaming-Vertrag. Dieser Vertrag kam nun scheinbar zustande, was Orange letztlich dazu bewog, beide Gesuche zurückzuziehen.

Das Fazit ist klar:
-diese Antenne wurde erfolgreich bekämpft, weil sich der Standort ausserhalb der Bauzone befand.

-Argumente der Gesundheitsgefährdung sollen zwar immer aufgeführt und angebracht werden. Für Behörden, Ämter und Gerichte sind sie im heutigen Stadium nicht relevant. Für die Bevölkerung sind sie aber nachvollziehbar und überzeugend. Politiker können damit beeinflusst werden. Berichte und Statistiken über die gesundheitliche Gefährdung findet man im Internet zuhauf.

-Dieser Widerstand wurde während der ganzen Zeit mit letzter Konsequenz auf vielen Ebenen geführt, auch gegen das Unverständnis von einigen Seiten (vor allem von öffentlicher Hand).

-Das Urteil des Verwaltungsgerichts TG ist wegweisend. Es kann in Zukunft von anderen Gerichten nicht einfach umgestossen werden.

-Roaming-Verträge für abgelegene, dünn besiedelte Gebiete sind möglich, obwohl die Mobilfunkanbieter immer das Gegenteil behaupten werden. Das Bakom muss auf diese Möglichkeit vermehrt hinweisen und seinen Fehlentscheid von früher endlich korrigieren.

Von Hans-U. Jakob

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