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Nachlese zum 1.Nationalen Kongress Elektrosmog-Betroffener vom 22.Nov. 2003 in Biel/Bienne

Nachlese zum 1. Nationalen Kongress Elektrosmog-Betroffener vom 22. November 2003 in Biel/Bienne

Dminik F. Rollé ist Autor des Buches „Elektrosmog – Störquellen erkennen -Gesundheitsrisiken vermeiden“
Nachstehend schildert er, wie er den Kongress erlebt hat. Von der Redaktion Gigaherz leicht gekürzt

Der Tagungsort hatte den strahlenden Vorteil,dass man direkt mit dem Thema konfrontiert wurde. Viele Elektrosmog-Betroffene wurden schon bald nach dem Eintreffen an ihre bekannten Symptome erinnert: dumpfes Gefühl im Gehirn, Ohrensausen, pochender Pulsschlag, Kopfschmerz u.a.m. Auf dem Balkon zeigte das Messgerät Werte bis über 2 V/m: die nächste Antenne (auf fast gleicher Höhe) war denn auch über die Strasse kaum 100 m weit entfernt. Im Raum war zusätzlich der eindringliche 10 Hz Rhythmus eines Hot-Spots (W-Lan) und – etwas schwächer – die obligate DECT-Telefonanlage zu hören. Nach weniger als 2 Stunden Aufenthalt im Raum konzentierte ich mich hauptsächlich darauf, durch Entspannung den dumpfen Kopfschmerz entlang des Blasenmeridians wieder zu lösen.

Nach einer kurzen thematischen Einführung ins Thema, übergab der Veranstalter Hans-U. Jakob das Wort an Brigitta Triebold, die als betroffene ihren Leidensweg schilderte. Ohne Wissen über die wahren Ursachen erzählte sie von den bekannten Mobilfunk-Symptomen und den vergeblichen Versuchen, auf medizinischem Weg Linderung zu erfahren. Erst ein 10-tägiger Ferienaufenthalt und ein Revisions-bedingter Antennen-Unterbruch gab ihr die Gewissheit, dass ihre schmerzerfüllten und schlaflosen Nächte technischen Ursprungs waren. Der darauf hin angetretene Pfad durch Ämter und Behörden konnte auch keine Linderung des Leidens bringen. Im Gegenteil: sie musste erfahren, dass das Leiden eines Elektrosmog-Betroffenen in diesem Land keinen bedeutungsvollen Stellenwert hat, geht es doch darum, dem technischen Fortschritt gegenüber eine demütige Opferbereitschaft zu erweisen. Erleichternd war zu hören, dass es Brigitta Triebold nach einem Umzug in eine nur gemässigt belastete Wohnung nun besser geht. Hut ab vor dieser Frau, sie verdient grossen Respekt für ihren Einsatz und die Bereitschaft, diese schwierigen Erfahrungen in der Öffentlichkeit zu teilen.

Als erster Referent schildert Dr. Gerd Oberfeld von der Landessanitätsdirektion Salzburg von den Erfahrungen, welche diese Stadt mit Mobilfunk gemacht hat. Unter anderem hat Salzburg in einem Pilotversuch bewiesen, dass die Mobilfunk-Antennen mit wesentlich schwächerer Leistung senden könnten und es wäre weiterhin möglich, wenn der Wille dazu da wäre. Man erfährt auch aus Gerichtsakten, dass ein Handy bereits mit einer Leistungsdichte von 0.08 Piccowatt/m2 funktionieren würde – ein verschwindend kleiner Wert, wenn man ihn alleine mit dem Schweizer Vorsorgewert vergleicht: der liegt bei 95’500’000’000 Piccowatt /m2 für GSM 1800. Klar, dass man mit den Salzburger Werten von 0,6 V/m (1’000’000’000 Piccowatt W/m2) nicht mehr bis ins 3. Untergeschoss erreichbar bleibt. Es fragt sich aber, ob das denn wirklich notwendig ist. Ernüchternd war zum Schluss die Erkenntnis, dass mittlerweile die Salzburger Werte wegen dem weiteren Ausbau durch mehrere Mobilfunk-Gesellschaften auch in Salzburg nicht mehr eingehalten werden. Dabei hatte ich immer gedacht, man könne ja noch nach Salzburg auswandern, wenn es dereinst sonst nirgens mehr gemässigte Mobilfunk-Regionen geben wird. Aus der Traum.

Prof. Dr. Hans-Albert Kolb vom Institut für Biophysik an der Universität Hannover bestritt den dritten Teil des Morgens. Als Teil der 3,6 Mio Euro teuren Reflex-Studie gab er Einblick in die Art, wie Schädlichkeit oder Unschädlichkeit erforscht wird. Er zeigte auf, dass es problemlos möglich ist, auf der genetischen oder der zellulären Ebene wissenschaftlich zu beweisen, dass Hochfrequenz eindeutige Spuren hinterlässt. Anhand seines Forschungsprojektes dokumentiert er z.B., dass DNA-Brüche bewiesen sind. Das Problem liegt nun aber darin, dass Zellstudien, sowie auch epidemiologische Erhebungen oder Tierversuche keine wissenschaftliche Relevanz hätten bei der Beweisführung einer allfälligen Schädlichkeit. Man kann sich nun zusammen mir Prof. Kolb fragen, wozu denn die 3,6 Mio Euro eigentlich genau ausgegeben worden sind. Auf jeden Fall wurden die Gelder für die zweite Reflex-Studie, bei der man mehr auf organischer Ebene forschen wollte, kurzerhand gestrichen – hier wären die Aussagen ja dann auch beweiskräftig, also darf hier auf keinen Fall näher hingeschaut werden. Von Prof. Kolbs Referat war jedoch folgende Erkenntnis interessant:
Hochfrequenz aktiviert Stresshormone, die – neben der Zunahme von Aggressivität – eine Form des Zellschutzes bewirken: damit verringert der Körper die Anzahl der DNA-Brüche. Wie lange der Körper Vorräte zur Produktion von solchen Hormonen hat, ist dann
wohl die entscheidende Frage bei der Elektrosensibilität. Diese Frage konnte der Wissenschaftler allerdings auch nicht schlüssig beantworten.

Nach dem Mittagslunch schreitet Hans-U. Jakob zur Oskar-Verleihung für die grösste Scheinheiligkeit auf dem Gebiet des Mobilfunks. Er stellt dabei den Entscheid der Jury mit jeweiliger Begründung vor: Auf dem 4. Platz verpasst Pfarrer Sieber den Oskar deutlich, obwohl er sich mit einer, im oberen Teil eines christlichen Kreuzes versteckten Orange-Antenne, gute Chancen ausbedungen hatte.
Auch der Brückenbauer geht leer aus: Er schwärmt vor, was mit der neuen Handy-Generation alles möglich wird und wettert in der gleichen Ausgabe über die Gefahren des Tabak-Konsums.
Nur knapp verpasst Dr. Martin Röösli von der Uni Basel den begehrten Preis mit der Aussage, dass es noch keine gesicherten Ergebnisse gäbe, die eine Grenzwertanpassung erfordern würden. Er selbst würde allerdings – laut eigener Aussage – nie in Antennen-Nähe wohnen wollen.
Damit geht der Oskar für die grösste Scheinheiligkeit an Bundesrat Moritz Leuenberger, der in der Coop-Zeitung einmal mehr Klartext gesprochen hat: „die Politik ist dazu da, allen Beteiligten zu ihrem Recht zu verhelfen, also auch den Mobilfunkgesellschaften“.
Wir gratulieren unserm Gesundheitsminister zu dieser verdienten Ehrung. Hans-U. Jakob wird Bundesrat Leuenberger den mit markanter Mobilfunkantenne, 4 Handys und goldenem Heiligenschein dekorierten Oskar in den nächsten Tagen zukommen lassen.

Dass die Schweizer Vorsorgewerte in keiner Weise besser sind, als die Grenzwerte der umliegenden Länder zeigt Hans-U. Jakob bebildert und berechnet auf. Erstens gelten diese nur für bewohnte Innenräume und nicht z.B. für Büros oder Balkone. Und dank der durchschnittlichen Gebäudedämpfung erreicht man den Anlagewert ohne weiteres Dazutun sogar dann, wenn eine 3×6’000 Watt ERPAntenne auf dem Dach steht, oder man im Hauptstrahl nur 25 m von einer solchen entfernt sein Schlafzimmer hat.
Dr.Jürg Baumann vom BUWAL versucht zwar einwendend die Anlagegrenzwerte in Schutz zu nehmen, überzeugt die Teilnehmer aber nicht.

Dr. H.-Peter Neitzke von Ecolog übernimmt anschliessend das Mikro und informiert die Anwesenden über den aktuellen Stand der Forschung. Mit Norddeutscher Akribie hat er mit seinem Team unzählige wissenschaftliche Berichte durchforstet, um darin das Haar in der Suppe zu finden. Entsprechend teilt er die Berichte in vertrauenswürdig, brauchbar, kaum brauchbar und untauglich ein und listet anhand der für gut befundenen Berichte die gesicherten Ergebnisse in ein vergleichendes Balkendiagramm. Mit grosser Ernüchterung muss der Teilnehmer dann feststellen, dass er anhand der Befunde noch gar nicht Elektrosmog-Betroffener sein dürfte, denn die wissenschaftlich erhärtete Reizschwelle liegt immer noch etwas höher als die Werte im eigenen Schlafzimmer.
Bleibt die Frage, ob man als Elektrosmog-Betroffener seine Symptome nun einer akuten Technologie-Neurose zuordnet oder ob man ganz einfach ein moderner „malade imaginaire“ ist. Neitzke gibt zwar zu, dass der Stand der Forschung nie ein aktueller sein kann, denn
wenn die Auswirkungen eines Mobilfunksystems nach frühestens 5 bis 10 Jahren einmal halbwegs gesichert vorliegen, sind mittlerweile wieder mindestens 6 neue Systeme dazu gekommen. Gegenseitige Überlagerungen verschiedener Felder – dass also z.B. Hochfrequenz auf Niederfrequenz ankoppelt – hält Neitzke erstaunlicherweise für völlig unmöglich.
Immerhin schlägt Dr. Neitzke auf Grund seiner Erkenntnisse Vorsorgewerte von generell 2V/m vor. Das wären dann in Innenräumen noch 0.2V/m und halt doch 25mal unter den „schönen“ Schweizer Vorsorgewerten

Als letzter Referent macht lic.jur Tim Walker Mut, die staatsbürgerlichen Rechte wahrzunehmen und sich auf juristischem Weg mit den Mitteln von Einsprache und Beschwerde für ein gesundes Umfeld einzusetzen. Er ist der Überzeugung, dass der einzig
erfolgreiche Weg letztlich die Volksinitiative ist. Nur muss diese besser organisiertund begründet werden, als das Antennen-Moratorium, das es auf nur 30’000 Unterschriften gebracht hat. Walker zeigt am Beispiel Rüeggisberg, dass eine Antenne auch mal verhindert werden kann, wenn doch zur Zeit die Mobilfunkgesellschaften – je länger ein Verfahren weitergezogen wird – auf einen Entscheid zu ihren Gunsten hoffen können. Das grösste Problem stellt die NIS-Verordnung dar, die von den Behörden als „sakrosankt“ betrachtet wird, obwohl sie wesentliche Grundrechte verletzt. In jeder Einsprache und Beschwerde sollte deshalb darauf hingewiesen werden, dass die NISV sowohl die Europäische Menschenrechtskonvention EMRK, wie auch die Bundesverfassung BV in verschiedenen Artikeln eindeutig verletzt. Walker zitiert in der Folge eine Reihe von Artikeln, die man bereits schon in Einsprachen ins Feld führen kann.
Nach dem Prinzip: „steter Tropfen höhlt den Stein“ könnte damit langsam eine juristische Kehrtwende zustande kommen. Der Hinweis dazu haben schon einige Gemeinden geliefert. Einen grossen Dank an Tim Walker für diesen Silberstreifen am Horizont.

Die abschliessende Fragerunde mit allen 4 Referenten hat eigentlich keine Antworten geliefert, sondern eher weitere Fragen und Fragwürdigkeiten aufgeworfen. Es ist klar geworden, dass die Wissenschaftler zum heutigen Zeitpunkt keine Hilfe bieten können,
sondern sich in ihrem eigenen, viel zu eng begrenzten Raum nur gegenseitig auf die Füsse treten. Sie scheinen alle Angst zu haben, die Bevölkerung als Untersuchungsobjekt zu wählen und verkriechen sich lieber in ein Labor, in welchem sie Mäuse und Zellen mit einem künstlich erzeugten Signal bestrahlen, das in der Wirklichkeit so gar nicht vorkommt. Kein Wunder, wenn man da noch nichts wirklich Entscheidendes rausgefunden hat. Der Elektrosmog-Betroffene ist vermutlich noch nicht Gegenstand der Forschung geworden, weil bisher zuwenig Prominente und Politiker an den Folgen unserer modernen Kommunikation erkrankt oder gestorben sind. Es bleibt also nichts anderes, als geduldig auszuharren.

Auf dem Nachhauseweg habe ich dann noch eine eindrückliche Beobachtung zum Thema gemacht: wenn ich die Augen schloss oder auch nur eine dunkle Fläche anstarrte, konnte ich starke Lichtblitze im 10 Hz Rhythmus sehen, ähnlich wie bei einem Disco-Stroboskop. Sogar 2 Stunden nach Verlassen des Tagungsraumes nahm ich diesen Effekt noch wahr. Zum Glück hatte ich vorher im Raum mit dem Messgerät den HotSpot (W-Lan) entdeckt; damit konnte ich das Phänomen wenigstens zuordnen.
Erstaunlich war, dass dieses Signal allein im Gesichtssinn so lange Nachwirkungen gezeigt hat. In den Gehirnimpulsen wäre es noch entsprechend länger zu messen gewesen sein. Aber dies sei hier nur am Rande bemerkt, denn es war ja nicht Gegenstand der Tagung…

Mit bestem Dank an die Gruppe Hans-U. Jakob, die mit dieser Tagung einen weiteren Schritt auf dem steinigen Weg in eine gesundheitserhaltende Zukunft getan hat. Es bleibt zu hoffen, dass dadurch sich wieder einige Menschen mehr der Gefahren der
modernen Kommunikationstechnologie bewusst werden.
Zum Schluss noch ein Geschenktipp für Weihnachten: wie wärs mit einem Hochfrequenz-Messgerät, anstatt des neusten Handys?

Ein umfangreicher Tagungsbericht ist in Arbeit.
Weitere Berichte von Teilnehmern sind erwünscht.

Von Hans-U. Jakob

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