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Mobilfunkbetreiber ziehen Basler Regierung schamlos über den Tisch

Mobilfunkbetreiber ziehen Basler Regierung schamlos über den Tisch.

Was viele der übrigen Schweizer nicht wussten, ist, dass die Basler Regierung ein Moratorium, das heisst ein Bauverbot für Mobilfunkantennen auf allen öffentlichen, dem Kanton gehörenden Gebäuden erlassen hatte.
Nachdem das Vermieten von Standorten für Mobilfunkantennen von einer erdrückenden Mehrheit der Bevölkerung als krimineller Akt betrachtet wird, geraten die Mobilfunkbetreiber in immer ärgere Bedrängnis. Die zur Erreichung der kalkulierten Jahresumsätze nötigen Ausbauprogramme kommen arg ins Stocken, wenn nicht gar zum Erliegen.
Weil nun in Basel viel zu wenig Antennenplätze erhältlich waren, bestand dringendster Handlungsbedarf.

Hans-U.Jakob, 7.12.03

Während man sich beim Rechtsdienst des UVEK (Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation des Bundes) bereits ernsthaft überlegt, wie mobilfunk-unwillige Gemeinden zwecks Aufstellen der verhassten Mobilfunkmasten enteignet werden könnten, wählten die Mobilfunkbetreiber in Basel den kürzeren Weg und boten der Regierung eine sogenannte Mobilfunk-Charta an.
Ein Vertragswerk welches gemäss Zitat, „die Verunsicherung von weiten Teilen der Bevölkerung , welche unter dem Schlagwort „Elektrosmog“ Anlass zu vielen Diskussionen gegeben habe, anerkennt.“ Es wird ausdrücklich nur die Verunsicherung der Bevölkerung, nicht aber deren Schädigung anerkannt.

Die edle Zielsetzung der Charta soll sein, dass die Mobilfunkbetreiber nur so viel Leistung (Antennen) installieren, wie sie aus ihrer Sicht zur optimalen Versorgung (Verstrahlung) des Wirtschaftsstandortes Basel benötigen. Was unter optimal zu verstehen ist, bestimmen allein die Mobilfunkbetreiber.
Und als Gegenzug verpflichten sich die Basler Behörden feierlich, das übergeordnete Bundesrecht, namentlich die NIISV (Verordnung des Bundesrates über nichtionisierende Strahlung) und die darin enthaltenen Grenzwerte nie mehr in Frage zu stellen.

Ziel der Charta soll es weiter sein, einen konstruktiven Dialog und Umgang zwischen Behörden, Mobilfunkbetreibern und der Bevölkerung zu erreichen und im Rahmen des Bundesrechtes und der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichtes nach Lösungen zu suchen, die allen involvierten Kreisen den bestmöglichen Umgang mit der Mobiltelefonie erlauben.
Und jetzt kommt es ganz dick: Im Gegenzug zu diesem Angebot der Mobilfunkbetreiber, welches überhaupt nichts anderes enthält als die gegenwärtige Praxis, soll das Moratorium auf öffentlichen Gebäuden der Stadt teilweise aufgehoben werden.

Das Moratorium soll nur noch für Kindergärten Primar- und Orientierungsschulen, sowie für Spitäler gelten. Für alle anderen Gebäude wie Mittelschulen, Gymnasien, Hochschulen, Verwaltungsgebäude und weitere staatliche Anstalten soll das Moratorium aufgehoben werden. Das Moratorium soll auch explizit für Altersheime nicht mehr gelten. (Hier kann vielleicht der Durchlauf sogar noch etwas beschleunigt werden.)

Unter Begrenzung der Sendeleistung versteht die Charta Folgendes:
Die Mobilfunkbetreiber müssen die für UMTS-vorgesehene Sendeleistung in künftigen Projekten nicht mehr deklarieren. Sie können dann ohne Baubewilligungsverfahren die für das GSM-System (zu hoch) deklarierte Leistung einfach sukzessive auf das UMTS übertragen ohne dass die Bevölkerung davon etwas merken soll.

Als Gegenleistung bieten die Mobilfunkbetreiber pro Jahr 30 Gratismessungen durch akkreditierte Messfirmen an (die ihnen bekanntlich gehören oder an welchen sie eine Mehrheitsbeteiligung haben) .
Die Auftragserteilung soll durch das Lufthygieneamt beider Basel erfolgen, und die Mobilfunkbetreiber sollen nicht dabei sein. Die Messtechniker müssen aber, um die Messverordnung des Bundes einzuhalten, jeweils vorort per Handy, auf der Mobilfunkzentrale nach dem zur Zeit der Messung herrschenden Betriebszustand der kontrollierten Anlage fragen, um Hochrechnungen auf das Maximum erstellen zu können. Damit ist wieder derselbe Status erreicht, wie wenn die Betreiber selber vorort wären.

Und als abschliessender Clou: Die Charta darf in keinem Fall zu einer Verschärfung der NISV des Bundesrates führen.

Das wären im Grossen und Ganzen etwa die Regeln dieses edlen Vertragswerkes. Für diejenigen die es interessiert, wer da neben den Mobilfunkern noch mitgewirkt hat: Verhandlungsdelegationen des Kantons Basel-Stadt, wie Vertreter der Bau- und Erziehungs-Finanz- und Sanitätsdepartemente.

Und wo war die Bevölkerung mit ihren zahlreichen Interessengruppen und Quartiervereinen?
Diese konnten lediglich am 19 Juni 2003 anlässlich einer Anhörung ihre Wünsche einbringen.
Von den eigentlichen Vertragsverhandlungen wurden die Gruppen jedoch ausgeschlossen, weil sie mit eigenen Fachleuten auffahren wollten, was von den Mobilfunkbetreibern strikte abgelehnt wurde. Nur sie allein verstehen halt etwas von der Sache.

Das 7-seitige Vertragswerk, welches uns vorliegt, muss deshalb eher als Betrugswerk betitelt werden.
Dem verantwortlichen Unterzeichner des Regierungsrates, Dr. Christoph Eymann, welcher bei den Verhandlungen selber nicht dabei war, wurde eingeflüstert, die Gruppierungen seien alle dabei gewesen und durchwegs einverstanden.
Jetzt gerät er in arge Bedrängnis. „Dass das nicht so ist, irritiert mich schon“, erklärt er in einem Interview mit der Basler Zeitung vom 1.12.03 und weiter: “ Die Mobilfunkcharta ist halt ein Geschäft, das derart stark von Sachverständigen abhing, dass die Regierung einfach zu wenig Detailkenntnisse hatte.“

Oder etwas weniger diplomatisch ausgedrückt: Die Regierung wurde schlicht und einfach über den Tisch gezogen, weil sie von Mobilfunk, ausser vielleicht von der Bedienung eines Handys, überhaupt nichts versteht und mobilfunkkritische Fachleute fahrlässig von den Verhandlungen ausschloss.

Wer sich mit der ehrenwerten Gesellschaft der Mobilfunker einlässt, sollte nicht dermassen naiv und gutgläubig sein. Das böse Erwachen wird folgen. Es sei denn, die Charta, welche bis 2006 gültig sein soll, werde infolge arglistiger Täuschung von der Regierung fristlos gekündigt.

Die Charta kann gegen Zusendung eines adressierten und frankierten Kuverts bei uns bezogen werden. Bitte 2 Briefmarken im Wert von Fr. 2.20 für Kopierkosten beilegen.
Adresse: Schweizerische Interessengemeinschaft Elektrosmog-Betroffener, per Adr. Hans-U. Jakob, Flüehli 17, 3150 Schwarzenburg.

Von Hans-U. Jakob

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