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Mobilfunkantennen gelten ab sofort nicht mehr als standortgebunden

Mobilfunkantennen gelten ab sofort nicht mehr als standortgebunden

Hans-U.Jakob zur neuesten Entwicklung in der Schweizer Rechtsprechung.
25.4.04

Da wo Anlagen nicht zonenkonform sind, das heisst überall da, wo eine Aufstellung eine Sonderbewilligung erforderlich macht, muss zwingend der Nachweis der Standortgebundenheit erbracht werden. Art. 24 RPG

Bis dato konnten Mobilfunkbetreiber zwecks Erschleichung einer Baubewilligung einfach behaupten: „Hier und sonst nirgends passt die Antenne hin!“ und alle kantonale und eidgenössischen Beamten nickten ehrfürchtig mit ihren weisen Häuptern und griffen zu Stempel und Kugelschreiber. Damit dürfte es endgültig vorbei sein.

Das Bundesgericht hält neu dazu fest:
(Urteil 1A.186/2002 vom 23.5.03 auch nachzulesen im Verwaltungsgerichtsentscheid des Kantons Luzern vom 1.4.2004 unter der Nr. V 03 198/brh)
Es müssen besonders wichtige und objektive Gründe vorliegen, die den vorgesehenen Standort gegenüber andern Standorten als viel vorteilhafter erscheinen lassen.
Überhaupt nicht relevant sind dabei wirtschaftliche Vorteile des gewählten Standortes, wie etwa geringere Landerwerbskosten, geringere Mieten, voraussichtlich geringere Zahl von Einsprachen oder zivilrechtliche Gründe für die Standortwahl, zum Beispiel die Weigerung benachbarter Landeigentümer, eine Antenne auf ihrem Grundstück zu dulden.
An den Nachweis der Standortgebundenheit, namentlich an den Nachweis, dass der vorgesehene Standort aus funktechnischen Gründen erforderlich ist, werden nach neuer Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen gestellt. Mittels Computersimulation erstellte Abdeckungskarten 1) vermögen nicht mehr zu genügen. Vielmehr gelten diese als reine Parteibehauptung und müssen auf deren Plausibilität und Vollständigkeit hin überprüft werden.
Die Mobilfunkbetreiber werden für diese Überprüfung die notwendigen Unterlagen zur Verfügung stellen müssen. Allenfalls werde dazu eine Expertise erstellt werden müssen, zu der in Zukunft auch Einsprechern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sei.
Den Beteuerungen der Mobilfunkbetreiber, dass technische Daten der Netzabdeckungspläne gewissen Geheimhaltungsinteressen unterlägen, seien keine Folge mehr zu leisten.

Soweit das Bundesgericht in einer Instruktion an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, welches die Sonderbewilligung zur Erstellung eines Mobilfunkmasten zu Unrecht erteilt hatte und jetzt vom Bundesgericht zurückgepfiffen wurde.
Das Urteil ist nicht zuletzt wegen der Mithilfe der Fachstelle Nichtionisierende Strahlung von Gigaherz.ch zustande gekommen.

1) Unter Abdeckungskarten, auch „Radioplanung“ genannt, versteht man verschiedenfarbig eingefärbte Landkarten. Zum Beispiel weiss=kein Handyempfang, blau=knapper Empfang, grün=guter Empfang, gelb=sehr guter Empfang, rot=hervorragender Empfang.
Diese Farbskala ist nur als Beispiel zu werten, da jede Gesellschaft eine andere Farbskala verwendet, damit die Karten nicht einfach übereinander gelegt werden können.

Zur Standortgebundenheit hat sich die Swisscom bereits in Zimmerwald BE selbst ein Ei gelegt, indem sie auf Wunsch eines Obersten im Generalstab eine Antenne zuerst um 1000m nach Süden und dann noch einmal um 750m nach Westen verschob. Bei solchen Verschiebungsmöglichkeiten muss man natürlich dem Bundesgericht (und auch uns) keine Standortgebundenheit mehr vorgaukeln wollen.
Auch hier konnte die Fachstelle Fachstelle Nichtionisierende Strahlung von Gigaherz.ch den Einsprechern das notwendige Hintergrundwissen vermitteln, so dass die Swisscom das Baugesuch schleunigst zurückzog.

Mit der bundesgerichtlichen Anordnung, auch Einsprechern Einsicht in die Radioplanung geben zu müssen, erhalten diese eine vorzügliche Waffe zur Eindämmung eines weiteren Wildwuchses des Antennenwaldes. Die Fachstelle nichtionisierende Strahlung von Gigaherz.ch bietet auch hier ihre Unterstützung an.

siehe auch unter:

Standortgebundenheit ade! (unter Recht oder Unrecht)

Von Hans-U. Jakob

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