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Mobilfunk-Angefressene wollten das Zivilgesetzbuch ändern

Mobilfunk-Angefressene wollten das Zivilgesetzbuch ändern

Einen Gesetzesartikel über das Stockwerkeigentum wollten vier Stockwerkeigentümer einer Liegenschaft in Thalwil eigenmächtig abändern, weil der fünfte nicht damit einverstanden war, dass eine Mobilfunkantenne auf das Dach des Hauses gestellt werde.

Hans-U. Jakob, 18.4.05
Quellen: Zürichsee-Zeitung und Tages-Anzeiger ZH

Art 648 ZGB lautet: Jeder Miteigentümer ist befugt, die Sache insoweit zu vertreten, zu gebrauchen und zu nutzen, als es mit den Rechten anderer verträglich ist.
Zur Veräusserung oder Belastung der Sache, sowie zur Veränderung ihrer Zweckbestimmung bedarf es der Uebereinstimmung aller Miteigentümer, soweit diese nicht einstimmig eine andere Ordnung vereinbart haben.

Obwohl das Stockwerkeigentümerreglement eindeutig darauf hinwies, dass Belastung oder Zweckänderung der Liegenschaft nur durch einstimmigen Beschluss aller Stockwerkeigentümer herbeigeführt werden könne, schloss die Mehrheit mit der Firma Orange einen Mietvertrag für 12’000 Franken pro Jahr für die Benützung des Dachs als Mobilfunksendeanlage ab. Nachdem der fünfte Miteigentümer ihnen mitgeteilt hatte, der Mietvertrag sei ungültig, weil seine Zustimmung fehle, änderten die anderen vier kurzerhand eigenmächtig das Stockwerkeigentümer-Reglement dahingehend ab, dass es fortan nur noch eine einfache Mehrheit benötige, um solche Beschlüsse in Rechtskraft zu erheben.
Dabei setzten die vier Schlaumeier auch noch gleich den Gesetzespassus ausser Kraft, dass auch die Änderung des Reglementes nur einstimmig herbeigeführt werden kann.

Der fünfte klagte nun beim Bezirksgericht Horgen auf Ungültigkeitserklärung des Mietvertrages mit Orange und verlor vor diesem mobilfunkfreundlich gestimmten Gremium prompt. Die vier Mehrheitsträger führten ins Feld, ein Mobilfunksender auf dem Dach sei weder eine Zweckänderung, noch belaste dieser Mobilfunksender das Eigentum des fünften, da die Grenzwerte eingehalten seien. Der fünfte habe zudem gegen den Vertrag mit Orange und die Reglementsänderung nicht innert 30 Tagen reklamiert.

Diese Reklamation sei gar nicht nötig gewesen, argumentiert nun das Obergericht des Kantons Zürich. Denn bereits die eigenmächtige Reglementsänderung sei ungültig, weil diese nur einstimmig hätte erfolgen können. Und ein Mobilfunksender auf dem Dach belaste das Eigentum eines Stockwerkeigentümers zudem sehr wohl. Der Gerichtspräsident sprach sogar von einer eindeutigen Zweckänderung des Daches. Das Dach werde kommerzialisiert. Also sei der abgeschlossene Mietvertrag ungültig und Orange könne hier keine Mobilfunk-Sendeanlage bauen. Punkt.

Die hanebücherne Nichteinhaltung von Art. 648 ZGB wurde auch von Gemeinderat und Baukommission Thalwil mitgetragen, welche seinerzeit das Baugesuch bewilligten.

Ob Orange den Fall ans Bundesgericht weiterzieht, ist noch offen.
Man darf gespannt sein, ob Bundesgerichtspräsident Aemisegger sich diesmal dem sehr einleuchtenden Urteil des Züricher Kantonsgerichts anschliesst. Bisher hat er leider zu Gunsten des Mobilfunks schon so manchen Gesetzes- und Verfassungsartikel ausser Kraft gesetzt. Es ist zu hoffen, dass er jetzt nicht auch noch das Zivilgesetzbuch zu Gunsten der Mobilfunkbetreiber umschreibt.

Hochinteressant ist, dass jetzt plötzlich selbst ein Obergericht zugibt, dass eine Mobilfunk-Sendeanlage trotz Einhaltung der ach so schönen Schweizer Grenzwerte eine Belastung für einen Stockwerkeigentümer darstellt. Und dass eine Mobilfunksendeanlage eine Zweckänderung, sprich: Kommerzialisierung des Dachs ist.

Der Zürcher Hauseigentümerverband war schliesslich vor 2 Jahren vor lauter Mobilfunk-Angefressenheit zum Schluss gekommen, dass ein Dach nicht zur Wohnung gehöre und die Hausverwaltung damit anfangen könne, was ihr beliebe.
Gigaherz schrieb damals, somit hätten wir dann auf einen Schlag 7,5 Millionen Obdachlose in der Schweiz, weil ihre Wohnung fortan ohne Dach auskommen müsse.

Spass beiseite. Das Zürcher Urteil dürfte weitreichende Folgen haben.
Den Trick mit der ungesetzlichen Reglementsänderung oder das Überfahren einer Minderheit der Stockwerkeigentümer ist kein Einzelfall aus Thalwil. Das gab es und gibt es vielerorts in der Schweiz.

Was ist hier zu tun? Bei der örtlichen Baupolizei (Gemeindeverwaltung) und bei der eigenen Hausverwaltung die sofortige Demontage der Mobilfunksendeanlage verlangen, da diese ohne gültigen Mietvertrag zustande gekommen sei und somit illegal betrieben werde.

Fazit: A wie Abbruch

Übrigens: Orange muss dem widerspenstigen Minderheitsvertreter 5800 Franken Anwaltskosten vergüten und die Gerichtskosten tragen. Für diesen Milliardenkonzern allerdings ein Trinkgeld!
Und das Verfahren hat insgesamt 5 Jahre gedauert! Während dieser Zeit konnte Orange nicht bauen.
Manchmal braucht???s halt ein wenig Zivilcourage!

Von Hans-U. Jakob

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