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Liegt Zug in der Schweiz?

Liegt Zug in der Schweiz?

von André Masson, Cham, 17.9.04

Vorgeschichte und Situation:
Sunrise-Techniker haben in Zug die Antennen nach unten gedreht, ohne die Behörden zu informieren. Der Standort hat noch eine alte Bewilligung, wo genau ein einziger Elevationswinkel bewilligt ist. Gegenüber steht ein Hochhaus, bei dem möglicherweise die Abnahmemesung im falschen Stockwerk erfolgte, falls die Antennen schon zu Beginn nicht so strahlten, wie im Standortdatenblatt angegeben. Oder falls sie zu Beginn noch richtig strahlten, liegt jetzt die Situation ganz anders, man müsste neu rechnen, ev. neu messen. Um das alles zu kontrollieren, möchte ich das Standortdatenblatt und die Abnahmemessung für diesen Standort einsehen.

Rechtliche Situation:
Das BUWAL
sagt in seiner Vollzugsempfehlung zur NISV: „Nach Abschluss des Bewilligungsverfahrens können betroffene Anwohner bei der Behörde Einsicht in das Standortdatenblatt einer bewilligten Anlage nehmen. Das Geschäftsgeheimnis wird dadurch nicht verletzt, weil die Daten ja bereits für die Bewilligung öffentlich ausgelegt worden sind und damit nicht mehr geheim sind. Es wird den Behörden aber empfohlen, die Inhaber der Anlage vorgängig anzuhören.“

Das Bundesgericht hat am 12. August 2003 beschlossen: „Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit in geeigneter Form über die Ergebnisse der Messungen.“ Ausdrücklich wird in der Begründung daran gedacht, dass die Messergebnisse auch „weitere Personen interessieren, die sich nicht am Baubewilligungs- und Beschwerdeverfahren beteiligt hatten (z.B. neu zugezogene Mieter)“.

Und jetzt genau das in der Praxis:
Bisher durfte ich weder das Standortdatenblatt noch die Messungen sehen. Eigentlich glaubte ich, ich hätte ein Recht auf beides, aber so einfach geht das nicht. Wer ist „die zuständige Behörde“? Der Kanton hat das fachliche Wissen, aber er gibt schon gar nichts heraus, mit immer wechselnden Begründungen. Er hätte noch nie ein Standortdatenblatt nachträglich herausgegeben. Man vergleiche nochmals das Zitat des BUWAL: „….weil die Daten bereits öffentlich ausgelegt und damit nicht mehr geheim sind.“

Gut denn, vielleicht geht es in der Stadt Zug ? Nein, leider war das (bisher) auch nicht möglich, denn die Stadt verlangt gleich das schriftliche Einverständnis von Sunrise! Was das Bundesgericht entschieden hat, wird im Kanton Zug nicht beachtet. Wenn Sunrise nicht will, so wird das Urteil des Bundesgerichtes hierzulande ausser Kraft gesetzt. Ich verstehe das nicht.

Jetzt meine Anfragen:
Wer hat mit nachträglicher Akteneinsicht welche Erfahrungen gemacht?

Welche Kantone oder Gemeinden geben die Standortdatenblätter ohne weiteres heraus, welche nicht?

Mit welchen Begründungen wird eine Einsichtnahme verweigert ?

Sind irgendwo seit August 2003(Bundesgerichtsurteil) Abnahme-Messungen veröffentlicht worden ? In welcher Form, und wie viele Monate nach der Messung ?

Gab es Zutrittsbeschränkungen, um diese Messungen zu studieren ?

Hat jemand Hinweise darauf, dass es heute geeignete UMTS-Messgeräte mit Common Pilot Channel-Messung bereits gibt?

Hat jemand so eine UMTS-Messung schon im Detail gesehen ?

Und für Juristen:
Wem muss ich wie beweisen, dass Zug in der Schweiz liegt ?

Wie verlangt man bei wem, dass ein Bundesgerichtsurteil in der Stadt Zug Gültigkeit hat?

Bei wem verklagt man die Stadt, wenn sich auch der Kanton nicht an die eidgenössischen Regeln hält?

Ist es wirklich vertretbar, die Empfehlung des BUWAL (man solle die Firmen „anhören“) so umzubiegen, dass man von den Mobilfunkfirmen gleich das schriftliche Einverständnis für die Einsichtnahme voraussetzt?

Es ist noch nicht lange her, da erhielt der „Tagi“ einen riesigen Rüffel, weil er die Standorte der Mobilfunksender in Winterthur veröffentlicht hat… Heute ist im Internet jeder Standort eingezeichnet.

Wir müssen uns alles und jedes erstreiten. Unsere Kinder und Enkel erleben es noch, dass im Internet bei jeder Antenne die BCCH-Leistung online abrufbar wird, plus die gesamte bewilligte Leistung. Erst so kann man wirklich unabhängige Messungen machen, ohne dass die Betreiber davon wissen und vorher noch schnell die Leistung anders einstellen können. Die Datenbank, die jetzt offenbar im Gespräch ist, macht das alles nicht – und abrufbar soll sie auch nur für die Behörden sein.

Vielen Dank für Ihre Erfahrungen!
A.Masson

Eine generelle Antwort

von Hans-U.Jakob

Das Recht auf Einsichtnahme beinhaltet nach Ansicht des Bundesgerichtes
automatisch das Recht, sich Kopien anfertigen zu lassen. Die kantonale
Bestimmung, auf welche sich Ihre Gemeinde stützt, ist dadurch längstens
hinfällig geworden.
Es besteht lediglich kein Recht darauf, Orginal-Akten mit nach Hause zu
nehmen. Aber es besteht ein Grundrecht darauf, auf der Kopiermaschine
der Gemeindeverwaltung, gegen Gebühr, selber Kopien anzufertigen.
(Jörg-Paul Müller, Grundrechte der Schweiz, 3.Aufl. Bern 1999 S510 und
532f sowie Alfred Klötz/Jürg Bosshard/Martin Röhl, Kommentar zum
Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2.Aufl.1999 Arr.8 NN
72f)

Die NIS-Ausführungsbestimmungen des BUWAL sagen zudem ausdrücklich, dass
dieses Recht auch für Anlagen besteht, die im Betrieb stehen und deren
Auflagefrist längstens abgelaufen ist. Art 2.4

Verlangen Sie deshalb vom Gemeinderat schriftlich eine
beschwerdefähige, das heisst anfechtbare Verfügung inkl.
Rechtsbelehrung in dieser Sache, welche Sie dann wegen Verweigerung
des rechtlichen Gehörs an das Verwaltungsgericht weiterziehen können.

Wenn es eine Baueinsprache betrifft müssen Sie Ihre Einsprache mit eingeschriebenem
Brief soweit ergänzen, dass sämtliche Grenz- und Anlagewerte als
überschritten zu betrachten seien, solange Ihnen die Datenblätter nicht
ausgehändigt würden und Sie keine Möglichkeit hätten, diese von einem
Fachmann Ihrer Wahl überprüfen zu lassen.

Wegen Verweigeung des rechtlichen Gehörs können Sie den Bau auf sehr
einfache Art verhindern. Bis dieser am Bundesgericht angelangt ist, dauert das Jahre und kosten tut das nur wenig.

Das Kopieren von Mobilfunk-Datenblättern wird nur noch von vereinzelten Gemeinden, meist vom Bauverwalter persönlich, zu verhindern versucht. Es gibt sie halt noch, die seltenen Helden, die da glauben, sie müssten für die Mobilfunkbetreiber den Winkelried spielen.

Das schriftliche Rechtsbegehren nach einer beschwerdefähigen Verfügung hat bis jetzt noch immer geholfen.

Von Hans-U. Jakob

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