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ForumMobil propagiert Endlösung für Elektrosensible

ForumMobil propagiert Endlösung für Elektrosensible

Das ForumMobil, ein Verein der Schweizer Mobilfunkbetreiber und ihrer Zulieferer mit Jahresbeitrag 1 Million (pro Mitglied) versendet dieser Tage eine Broschüre mit dem Namen „Frequentia“ an 11’000 Schweizer Ärzte mit der Empfehlung, ihre 150’000 elektrosensiblen Patienten *) allesamt als „psychisch gestört“ zu erklären.

Hans-U. Jakob, 18.12.04

Haarsträubende Zitate aus „Frequentia“
„Als Arzt sollte man sich hier seiner Verantwortung bewusst sein und ??? dem Hypokratischen Eid gemäss ??? Leid, und damit auch psychisches Leid, sowie unnötige Verunsicherung von den Menschen fernzuhalten,“ schreibt das ForumMobil wörtlich und weiter:

„Häufig entsprechen die Angaben der Patienten nicht einmal ihrer erlebten Situation, weil sie zu sehr von Medien, von Interessenverbänden, selbsternannten Spezialisten aus der Alternativszene oder gar von Scharlatanen beeinflusst werden.“

Und als Höhepunkt: „Die Patienten liefern oft abenteuerliche Beschreibungen der Einflüsse unter welchen sie stehen. Nicht selten berichten sie sogar über mutwillige elektromagnetische Beeinflussungen durch Nachbarn. (DECT-Telefone red). In solchen Fällen von sich verselbständigenden Wahnwahrnehmungen ist immer nach neurotischen und schizophrenen Formenkreisen zu suchen.“

Nicht, dass Elektrosensible hier nur auf übelste Art beschimpft und beleidigt werden. Nein, es werden die Opfer auch noch gleich zu Tätern umfunktioniert.

„Die meisten Elektrosensiblen haben sich in Bürgerinitiativen organisiert und besitzen Internetportale. Da es heute üblich ist, sich im Internet schnell zu orientieren, verbreitet sich die Idee der Elektrosensibilität rasch und findet Eingang nicht nur in öffentliche Diskussionen, sondern auch noch ins Bewusstsein unserer Gesellschaft,“
schreibt das ForumMobil weiter und erst recht schlimm und sehr teuer für die öffentliche Hand werde es dann, wenn die angeblich Elektrosensiblen in die öffentliche Planung von Einrichtungen einbezogen würden, da die Forderungen Elektrosensibler nicht oder nur schwer unter einen Hut zu bringen seien. (Anm. Gemeint mit dem einen Hut sind wahrscheinlich Wirtschaftsinteressen).

Nicht selten würden solche Streitigkeiten vor dem Richter ausgetragen, was weitere Kosten verursachen würde und nicht selten hätten Richter das Problem, geeignete Gutachter zu finden, die beide Seiten paritätisch vertreten könnten.

Mit dem letzten Satz dürfte das ForumMobil ausnahmsweise recht haben, falls sich die Richter überhaupt bemühen, Gutachter beider Seiten aufzubieten. Meist genügen diesen jedoch die reinen Parteibehauptungen der Wirtschaftsvertreter.

Weiter beklagt sich das ForumMobil, dass sich Elektrosensible nicht bereit fänden, ihre übrige persönliche häusliche Situation und Privatsphäre offenzulegen und wissenschaftlich untersuchen zu lassen.

Das hat sehr gute Gründe. Sich den vom ForumMobil engagierten Schnüfflern auszuliefern, heisst doch, wie obige Zitate zeigen, postwendend als geistesgestört erklärt und Arbeitgebern und Wohnungsvermietern gemeldet zu werden.

Soweit ein Auszug der Zitate aus der Hetzschrift des ForumMobil gegen elektrosensible Mitmenschen an die Schweizer Ärzte.

Gestützt auf irreführende Studie
Dass Elektrosensibilität als reine Einbildung, Verfolgungswahn oder gar Schizophrenie abzutun sei, stützt das ForumMobil mit einer haarsträubenden, sogenannt wissenschaftlichen Untersuchung der Univesität Witten/Herdecke, die zum Schluss kommt, dass sich die Wahrnehmung elektromagnetischer Felder durch Elektrosensible in keiner Weise von derjenigen Gesunder unterscheiden würden.

Zu diesem „vielsagenden“ Fazit kam man in Witten/Herdecke, nachdem die Probanden einer Magnetspule „ausgesetzt“ wurden, die ein 50Hz-Feld von 10Mikrotesla erzeugt habe, was dem doppelten Feld eines Kochherdes entsprechen würde.

Bereits diese Angabe könnt falscher gar nicht sein.
Ein elektrischer Kochherd erzeugt am Standort der Köchin oder des Kochs ein Magnefeld von höchstens 0.2Mikrotesla und nicht von 5Mikrotesla. Damit dürfte die Glaubwürdigkeit dieser Studie, ganz abgesehen davon, wer diese bezahlt hat, bereits im Eimer sein. Denn wer sich wissenschaftlich mit elektromagnetischen Feldern befasst, sollte zum Mindesten in der Lage sein, diese auch zu messen.

Dann wurde die Spule sogenannt doppelblind ein- und ausgeschaltet und die Probanden mussten den Schaltzustand angeben. Dabei sei es zu keinen signifkanten Unterschieden zwischen Gesunden und Elektrosensiblen gekommen, behauptet das ForumMobil.
Das ist weiter auch kein Wunder. Denn dort wo 5 Mikrotesla, das sind 5000Nanotesla herrschen, stellen sich die Härchen an den Vorderarmen sowohl bei Gesunden wie bei Sensiblen auf und jeder Halbblinde kann das noch gut sehen.

Zudem ist es hanebüchern, auf Grund eines Versuches mit einer 50Hertz-Magnetspule eine Elektrosensibilität über das gesamte Spektrum von 1 bis 30’000’000 Hertz, gepulst oder ungepulst, verleugnen zu wollen.

Die Geschichte wiederholt sich alle paar Jahrzehnte.
Ältere Semester können sich noch an die üblen Hetzschriften im tausendjährigen Reich erinnern. Auch hier wurden unbequeme Zeitgenossen, vor allem Oppositionelle jeder Richtung und solche jüdischen Glaubens kurzerhand als verrückt erklärt und aus dem Verkehr gezogen. Die Endlösung, als man nicht mehr wusste, wohin mit den Hunderttausenden, waren dann Konzentrationslager und schlussendlich die Vergasung.

Darüber, dass die „Frequentia“-Hetztiraden leider wiederum aus unserem nördlichen Nachbarland stammen, besteht nicht der geringste Zweifel. Wer die Schriften des bei der Swisscom unter Vertrag stehenden Professors Reinhold Berz kennt, welcher wegen seiner phantastischen Grenzwertvorschläge von 120V/m (38 Millionen uW/m2) etwa auch der „Ausseridische“ oder gar der „Todesengel von Ulm“ genannt wird, erkennt sofort den geschliffenen, arroganten und selbstherrlichen Stil, sehr ähnlich dem eines früheren Reichspropagandaministers.

Kennen wir das nicht alles schon?
Auch in der Schweiz hiess es einst, aus wirtschaftlichen Gründen zu diesen Vorgängen zu schweigen. Als Zulieferer der Wehrmacht, war die offizielle Schweiz und vor allem deren Industrie auf ein gutes Einvernehmen mit den Nazi-Bonzen angewiesen.

Ein Schweizer Rotkreuzarzt, der 1942 als Erster über die Zustände in den deutschen Konzentrationslagern berichtete, wurde postwendend als geistesgestört erklärt und in der Psychiatrie versenkt. Was nicht wahr sein durfte, gab es einfach nicht.
Anzufügen wäre noch die nachfolgende Schreckensherrschaft eines Joseph Stalin, welcher ebenfalls Hunderttausende von Oppositionellen unter Psychopharmaka setzte und nach und nach verschwinden liess. Ähnliches geschah auch, wie heute längst bekannt ist, z.B. in der DDR.

Sind wir jetzt wieder soweit?
Die Schweizer Ärzteschaft steht am Scheideweg. Wird sie in das Lied der „Frequentia“-Verfasser und der Wirtschaft einstimmen? Oder ist es die pure Angst vor wirtschaftlichen Einbussen, wenn man sich Elektrosmog-Erkrankter ernsthaft annimmt? Oder fürchtet man sich, das gleiche Schicksal zu erleben wie der Rotkreuzarzt von 1942 und selbst als geistesgestört erklärt zu werden?

Wenn man die Texte in einem einschlägigen, von der Mobilfunkindustrie unterhaltenen deutschen Internetforum liest, die in Wortwahl und Tonart gelegentlich etwa derjenigen damaliger SS-Obersturmbannerführer entsprechen, kann man diese Angst sogar verstehen.

In eigener Sache
Wir erhalten öfter Meldungen von Betroffenen, die Rat und Hilfe bei Ärzten suchen, und zwar nicht nur für sich, sondern für an den typischen Symptomen von Elektrosensibilität leidenden Kinder und Jugendlichen und die jeweils mit dem Satz abgeblockt werden: „Elektrosmog ist nicht mein Sachgebiet“. Wir rufen alle Elektrosmog-Erkrankten auf, uns Ärzte zu melden welche das Problem Elektrosmog Ernst nehmen, damit wir diese weiterempfehlen können. Uns schwebt eine Liste von jeder grösseren Region vor, wo wir auf Anfrage hin Patienten zuweisen können.

*)150’000 Elektrosensible in der Schweiz?
Dr.med Gerd Oberfeld von der Landessanitätsdirektion Salzburg spricht davon, dass heute 19% der Bevölkerung infolge elektromagnetischer Belastungen kleinere oder grössere gesundheitliche Probleme haben. Das wären auf die Schweiz bezogen ca. 1.5 Millionen Menschen. 10% davon, also 150’000 werden deshalb einen der 11’000 Schweizer Ärzte aufsuchen.

Bereits früher publizierter Artikel in dieser Angelegenheit

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Von Hans-U. Jakob

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