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Ein Oskar für die grösste Scheinheiligkeit

Ein Oskar für die grösste Scheinheiligkeit

Anlässlich des 1. Kongresses Elektrosmog-Betroffener vom 22.11.03 in Biel/Bienne wurde der Oskar für die grösste Scheinheiligkeit vergeben. Nominiert von den Vereinsmitgliedern waren seit längerem 4 Kandidaten. Empfänger der begehrten Auszeichnung konnte nur einer sein

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Die Statue, unter einem Handymasten stehend in Gold und Platin gegossen

Nominiert und von der Jury auf Platz 4 gesetzt wurde:
Pfarrer Sieber mit seinem Rehabilitationszentrum „Sunedörfli“ in Hirzel

Ein getarnter Mobilfunksender, sauber eingebaut in einem 6m hohen Wegkreuz an der Strasse zum Hirzelpass, direkt vor den Fenstern der Drogen-Rehabilitation, im oberen senkrechten Teil des mächtigen christlichen Wahrzeichens der Nächstenliebe.
Stand hier der Profit der Mieteinnahmen im Vordergrund oder war es pures Unwissen? Wir können es nicht beurteilen. Pfarrer Sieber hat unseren Brief nicht beantwortet.
Gegenüber der Presse hat er sich jedoch dahingehend geäussert, dass er den Mietvertrag mit Orange nun gekündigt habe.
Weil Pfarrer Sieber ansonsten zu den gütigsten Menschen gehört, die diesen Planeten bevölkern, lassen wir die Sache auf sich beruhen.

Nominiert und von der Jury auf Platz 3 gesetzt wurde:
Die Migros mit ihrer Zeitung „Brückenbauer“

Von der Titelseite lachen uns „Mister und Miss Teenie“ Handy schwenkend entgegen, denn sie sind begeistert von den neuesten Handys. Auf ganzen vier Seiten (16- 20) werden die Vorteile dieses neuen Spielzeugs gepriesen. Eine ganze Familie zeigt in Wort und Bild, was mit dem neuen Bildhandy alles möglich ist, ja es helfe sogar bei der Erziehung, versteigt sich dazu der BRÜCKENBAUER gar.
So weit so gut. aber im gleichen Atemzug wird gegen jugendliche Raucher und gegen das Passivrauchen mobil gemacht.
Nikotin- und Tabaksmog gegen Handysmog vertauscht. Vernebelung der Gehirne muss offenbar sein. Die Migroszeitung war jedenfalls ein heisser Anwärter auf den Oskar für die grösste Scheinheiligkeit.

Nominiert und von der Jury auf Platz 2 gesetzt wurde:
Dr. Martin Röösli vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin, UNI Basel

Seine Ausführungen im Buwal-Bericht Nr. 162 über hochfrequente Strahlung und Gesundheit lauten:

Neue gesicherte gesundheitliche Effekte im Dosisbereich unterhalb der von der ICNIRP empfohlenen Grenzwerte und damit auch unterhalb der Immissionsgrenzwerte der NISV liegen nicht vor.

und weiter unten

Es kann nicht abschliessend beurteilt werden, ob die Grenzwerte der ICNIRP und die darauf basierenden Immissionsgrenzwerte der NISV vor langfristigen Schäden genügend Schutz bieten.

und in einem Interview mit der Basler Zeitung vom 27.2.03
auf die Frage der Journalistin Patrizia Derungs:

Patrizia Derungs: Würden Sie mit Ihren Kindern in eine Wohnung ziehen, wo die Schweizer Grenzwerte eingehalten, aber voll ausgeschöpft sind.?

Dr. Röösli: Nein, wenn es sich vermeiden lässt nicht.

Nominiert und von der Jury auf Platz 1 gesetzt wurde:
Verkehrs- und Umweltminister BR Leuenberger

für sein Interview mit der Coop-Zeitung vom 28.5.03:

BR. Leuenberger: „Weder ein Einzelner noch zwei Beteiligte dürfen einen Dritten oder die Umwelt schädigen. Was ich für Individuen sage, gilt ebenso für Unternehmen und Länder. Unternehmen stehen gegenüber der Konkurrenz, gegenüber der Umwelt und der Gesellschaft in ethischer Verantwortung.“

Dazu das Bundesgerichtsurteil 1A 94/2000/sch vom 30.8.2000:
Grenzwerte sind nicht nach medizinischen Gesichtspunkten festzulegen, sondern nach wirtschaftlicher Tragbarkeit und technischer Machbarkeit.“

BR. Leuenberger: „Politik ist dazu da, allen Beteiligten in diesem Zusammenspiel zu ihren Rechten zu verhelfen. Die Politik soll die Freiheit und Sicherheit des Einzelnen, also auch der Unternehmen garantieren, aber so, dass Dritte nicht geschädigt werden. Dazu braucht es Regeln.“

Dazu das Bernische Verwaltungsgericht im Mobilfunkurteil 20928U Se/wi vom 5.3.2001:
Die Bevölkerung hat kein Anrecht auf ein Nullrisiko. Grenzwerte dienen lediglich dazu, die Schäden in vertretbaren Grenzen zu halten.

BR.Leuenberger: „Die Regel von Treu und Glauben etwa – eine an sich moralische Regel, auf welche die Wirtschaft im Besonderen angewiesen ist. Die Erfahrung zeigt, dass sich nicht alle an moralische Normen halten. Deshalb giesst die Politik solche Regeln in ein Gesetz. Treu und Glauben in das Obligationenrecht, Umweltschutz ins Umweltschutzgesetz.“

Dazu das Aargauische Verwaltungsgericht in einem Mobilfunkurteil BE 1998.00045-K3 vom 8.2.2001:
Das Schweizerische Umweltschutzgesetz ist kein Verhinderungsgesetz, sondern ein Massnahmengesetz. Die Nachfrage nach bestimmten Erzeugnissen soll nicht untersagt, sondern mit einer gewissen Risikominderung befriedigt werden.

Vergleicht man Ihre schönen Worte, Herr Leuenberger, mit der juristischen Realität in diesem Land, muss man sich schon fragen, sind Sie ein Träumer oder ein Scheinheiliger.

Unsere Fragen an Herrn Leuenberger:
Wo bleibt da Ihre ethische Verantwortung?
Wo bleibt da Ihre Moral?
Wo bleibt da Ihr schön besungenes Recht?

Wir, die Jury des Oskars für die grösste Scheinheiligkeit haben deshalb einstimmig beschlossen, diesen schönen Preis Ihnen, Herr Bundesrat Leuenberger, zukommen zu lassen. Sie haben ihn redlich verdient. Für so schöne Worte, so weit weg von der Realität!

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Der Sockel, passend mit Handys verziert
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Nicht fehlen darf selbstverständlich der Schein-Heiligenschein
Von Hans-U. Jakob

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