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Dr.L.von Klitzing, Grundsätzliches zur biologischen Relevanz.

Grundsätzliches zur biologischen Relevanz der niederfrequent gepulsten elektromagnetischen Felder insbesondere des Mobilfunks nach GSM und DECT

Von Dr. Lebrecht von Klitzing, Wissenschafter in Lübeck, 16.6.01

Die derzeitige Grenzwertreglung hinsichtlich biologischer Wirkungen zu elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern bezieht sich auf die Angaben der ICNIRP (International Commission for Non-Ionizing Radiation Protection), wonach bei den angegebenen Intensitäten keine biologischen Wirkungen „nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft“ auftreten. Nicht erwähnt wird, dass diese Aussage sich auf akute Wirkungen beschränkt. Keine Erfahrungen haben diese Gremien zur biologischen Wirkung bei Langzeitexpositionen. Hier ist also schon massive Kritik an der Verfahrensweise anzubringen.

Während akute Wirkungen über die physikalischen Gesetzmässigkeiten der Thermodynamik prinzipiell logisch einzuordnen sind, versagen die aus dem Strommodell gewonnenen Erkenntnisse vollständig bei den zahlreichen Hinweisen der schwachen Feldwirkung. Dieses betrifft auf der einen Seite die Feldbelastungen durch Energieversorgungssysteme, also 50 Hz elektrische und magnetische Felder. Auf der anderen Seite sind es die gut dokumentierten und überwiegend nachvollziehbaren Beschwerden, insbesondere durch Expositionen im näheren Umfeld von GSM-Mobilfunkbasisstationen. Eine weitere ernst zu nehmende Variante ist in den letzten Jahren dazugekommen: das schnurlose Haustelefon nach dem DECT-Standard. Wie die Mobilfunkbasisstation sendet auch dieses System ununterbrochen und unabhängig von einem geführten Telefonat.
Die Reaktion des biologischen Systems lässt nicht lange auf sich warten. Abhängig von der persönlichen Konstitution und eventueller Vorbelastung durch andere Schadstoffe (Holzschutzmittel, Pestizide, Insektizide u.a.), wie auch relevanter Langzeitexposition in sonstigen technischen elektromagnetischen Feldern kommt es zu einer Skala auffälliger Gesundheitsstörungen. Es beginnt mit Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen, Aggressionen (insbesondere bei Kindern), Ohrensausen (Tinnitus), Herzrhythmusstörungen bis hin zum veränderten Blutbild mit nicht ausgereiften Erythrozyten (Folge: mangelnde Sauerstoffversorgung). Diese Korrelationen sind vielfältig bekannt. Sie werden jedoch von den Betreibern dieser genannten funktechnischen Anlagen deshalb ignoriert, weil der unmittelbare Zusammenhang nicht erkennbar ist. Es ist offenkundig, dass hier der Umstand missbräuchlich genutzt wird, dass der biologische Organismus erst bei der längeren Exposition die Störungen aufweist.
In allen Fällen sind die Grenzwerte nach der 26. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz unterschritten, was nunmehr zur Diskussion auffordert, wieweit diese dort fixierten Grenzwerte sich an der Realität hinsichtlich einer biologischen Wirkung orientieren. Grundsätzliches Prinzip der gesamten Grenzwertreglung ist, den energetischen Eintrag soweit zu reduzieren, dass es nicht zu einer kritischen Erwärmung des Biosystems kommt, wobei eine geringfügige Erhöhung der Körpertemperatur von 0.5 K (z.B. von 36,5 °C auf 37,0 °C) nach 6 Minuten Expositionszeit als tolerabel angesehen wird. Bei den gepulsten elektromagnetischen Feldern des GSM-Standards (D-Netz, E-Netz) wird ausschliesslich der Hochfrequenzanteil berücksichtigt und geht als gemittelter Wert in die Berechnung ein. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zu der besonderen biologischen Relevanz der periodisch gepulsten Felder finden keine Berücksichtigung. Schon vor Einführung des GSM-Standards war darauf hingewiesen, dass über die Periodizität der niederfrequenten Feldänderungen in das biologische Regelsystem eingreift. Das Wirkungsmodell ist bis heute unbekannt, was aber nicht dazu führen darf, diese erhebliche biologische Relevanz zu ignorieren. So ist z.B. ist das besondere Wirkungspotential periodischer Lichtblitze (Stroboskop-Effekt) auf physiologische Parameter wohlbekannt. Es ist die strenge Periodizität der Blitzfolge, die bei gegebener Disposition zu einem epileptischen Anfall oder zu massiven Irritationen führen kann. Der Unterschied zu dem gepulsten elektromagnetischen Feld des GSM-Standards ist die wesentlich höhere Grundfrequenz der sichtbaren elektromagnetischen Welle. Untersuchungen zu dem genannten Phänomen haben deutlich gezeigt, dass nicht die Trägerfrequenz die entscheidende Grösse ist, sondern die Modulationsart. Insofern ist es hinreichend falsch, den Grenzwert nur über die Hochfrequenz zu definieren. Es muss die Erkenntnis einfliessen, dass die klassischen thermodynamischen Gesetzmässigkeiten hier nicht ausschliesslich gelten.

So ist der internationalen Literatur zu entnehmen, dass für gepulste elektromagnetische Felder weitaus geringere Leistungsflussdichten zur biologischen Wirkung führen als die derzeitigen Modellberechnungen hergeben. Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Feldimmissionen dürfen also keinesfalls von vornherein als psychosomatisch bedingt eingeordnet werden, nur weil ein plausibles Wirkungsmodell fehlt. Vielmehr erscheint es notwendig, die derzeitigen Erfahrungswerte in die Diskussion mit einzubeziehen. Hierzu gehört vor allem auch die Erkenntnis, dass der Zeitfaktor der Immission zu berücksichtigen ist: eine kurzzeitige Exposition in der Nähe einer Basisstation ist anders zu bewerten als die Dauerbelastung in einer sich in der Nähe befindlichen Wohnung. Auch das kurzzeitige Telefonat mit einem Handy gehört nicht in diese Diskussion, wenn auch kurzzeitige Emissionen in der Intensität, wie sie von einem Handy ausgehen nach neuesten Untersuchungen die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke erhöhen. Hier besteht dann durchaus die Gefahr, dass hirnschädigende Substanzen im weiteren Verlauf zu Krankheitsbildern führen. Aber auch hier ist der akute Effekt, auf den sich letztlich die Grenzwerte beziehen, nicht gegeben.

In diesem konkreten Zusammenhang muss auf eine Konferenz im EU-Parlament in Brüssel (29.06.2000) hingewiesen werden, bei der es zu der sehr schwerwiegenden Äusserung des WHO-Vertreters (Michael Repacholi) kam, dass die WHO selbst aufgrund nicht eigener Forschungsaktivitäten sich ausschliesslich auf Informationen von aussen stützt. In der nachfolgenden Diskussion stellte sich heraus, dass die von der Forschergruppe aus Lund (Schweden) vorgestellten Ergebnisse der Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke durch GSM-Felder keine Berücksichtigung gefunden haben und nach Aussage von Repacholi nicht nachvollziehbar seien, da eine in Auftrag gegebene Studie zu einem anderen Ergebnis gekommen ist. Nicht erwähnt wurde von ihm, dass diese Studie von der Industrie unterstützt wurde. Vielmehr beteuerte er mehrmals die durch die Rechtsabteilung der WHO gesicherte Neutralität. Weiterhin verschwiegen wurde von ihm, dass die Expositionsbedingungen anders gewählt wurden, sowohl von der Leistungsdichte als auch Expositionszeit. Der Hinweis verschiedener anwesender Wissenschaftler auf die nicht-linearen Dosis-Wirkungs-Beziehungen wurde von Repacholi zwar teilweise akzeptiert, aber in diesem Fall als nicht relevant dargestellt. Diese Einstellung eines offiziellen Vertreters der WHO wurde einstimmig kritisiert. Vor allem vor dem Hintergrund, dass sich Behörden in Deutschland auf das Bundesamt für Strahlenschutz berufen, dieses sich an der ICNIRP orientiert, die ihrerseits sich auf Informationen der WHO stützt.
Hier offenbart diese Taktik die Fragwürdigkeit, wieweit diese Institution überhaupt kompetent sind, eine fachlich einwandfreie Entscheidung zu treffen. Auch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) betreibt keine eigene Forschung, vielmehr bezieht diese ihre Informationen zum Gefährdungspotential einer Mobilfunksendeanlage wiederum vom Bundesamt für Strahlenschutz (ebenfalls ohne eigene Forschungsaktivitäten).
Die Behauptung in jeder Standortbescheinigung, dass die Sicherheitsbestimmungen dem Stand der Wissenschaft entsprechen, ist wissentlich falsch.
Hier muss mit aller Deutlichkeit hinterfragt werden, welchen Informationswert die Angaben haben.
Offensichtlich haben sowohl die WHO als auch die ICNIRP als auch das BfS deren Kompetenzen selbst definiert. Die Legitimation zu den Aussagen haben sich alle genannten Institution selbst gegeben, wenn man den dort praktizierten Informationskreislauf analysiert. Mit Sicherheit erfüllt der Gesetzgeber in Deutschland mit der 26. BImSchV bei den gepulsten elektromagnetischen nicht das Vorsorgeprinzip.

Aus den bisherigen Erfahrungen sollten in jedem Fall folgende Werte unterschritten
werden:
GSM-Standard……….100uW/m2 (10 nW/cm2) = 0.2V/m (Volt pro Meter)
DECT……………………10 uW/m2 ( l nW/cm2) = 0.06V/m

Hierzu muss jedoch betont werden, dass bei diesen angegebenen Leistungsdichten biologische Effekte schon bei einer Kurzzeitexposition im Minutenbereich nachweisbar sind; über Langzeitexposition gibt es derzeit keine fundierten wissenschaftlichen Daten. Einig ist man sich aber darin, dass die o.a. Werte bei einer Dauerexposition reduziert werden müssen. Erfahrungswerte aus den Beobachtungen von Ärzten und Kliniken zeigen, dass auch bei einer Absenkung der oben genannten Werte, die zu einer akuten Reaktion fuhren, um den Faktor 10 es zu gesundheitlichen Problemen kommen kann.
Solange keine systematische Forschung auf diesem Gebiet durchgeführt ist, sollte man sich im Rahmen einer sinnvollen Vorsorge auf die Erfahrungswerte von Baubiologen beziehen. Hier wurde aufgrund bisheriger Erkenntnisse zur Wirkung gepulster Hochfrequenzfelder folgende Skala einer gesundheitlichen Beeinträchtigung entwickelt:

keine Anomalie ………….<0.1uW/m2 = 0.006V/m

schwache Anomalie ……. 0.1 – 5 uW/m2 = 0.006 – 0.04V/m
starke Anomalie……………5-100 uW /m2 = 0.04 – 0.2V/m
extreme Anomalie…………> 100 uW/m2 => 0.2V/m

Die hier vorgenommene Einteilung erfolgt in „Anomalie“-Graden. Der Bereich „keine Anomalie“ ist in Industrie- und Wohngebieten durchaus häufig anzutreffen. Zum Vergleich: Noch bei 0,005 u W/m2 ist die optimale Funktion eines Handys gewährleistet. So ist es unumstritten, dass es in den Bereichen mit starker und extremer Anomalie zu einer Häufung gesundheitlicher Beeinträchtigungen kommt. Diese Erfahrungswerte sollten im Rahmen der Vorsorge solange in der Diskussion zu den Feldwirkungen berücksichtigt werden, bis fundierte wissenschaftliche Daten zu den athermischen Wirkungen vorliegen.

Um dem Vorsorgeprinzip zu genügen, dürfte die Installation von Mobilfunkbasisstationen in Wohnbereichen weiträumig nicht erfolgen. Die von den Betreibern vorgebrachten technischen Probleme sind konkret nicht nachvollziehbar; vielmehr steht die kostengünstige Einbindung in die vorhandene Infrastruktur (Energieversorgung, Einspeisung in das Netz) im Vordergrund. Unverantwortlich ist es angesichts der sich häufenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen derartige Anlagen in der Nähe von Schulen, Kindergärten, Seniorenheimen zu betreiben. Auch wenn die Betreiber immer wieder auf die Standortgenehmigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) verweisen, sollte jeder wissen, dass die dort formulierte scheinbare Ungefährlichkeit entsprechend den Vorgaben des BfS auf akuten Feldwirkungen basiert. Mit keinem Wort wird auf die besondere biologische Relevanz periodisch gepulster Hochfrequenzfelder eingegangen.

Bemerkungen der Redaktion Gigaherz:
In der Schweiz haben wir folgende Anlage-Grenzwerte, welche nach Meinung der Behörden die Vorsorge angeblich abdecken sollen.
Bei 900MHz-Anlagen…….4V/m (Volt pro Meter)
Bei 1800MHz-Anlagen……6V/m
Bei gemischten Anlagen…5V/m

Einfärbungen und Umrechnungen in V/m wurden von Hans-U.Jakob vorgenommen.

Von Hans-U. Jakob

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