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Die Kirche von Lyss bleibt sauber

Die Kirche von Lyss bleibt sauber

Der Kirchgemeinerat von Lyss BE weist den Mobilfunkbetreibern die Tür. Der Vertrag mit Swisscom wird schon vor dem Bau der Antennenanlagen im Kirchturm aufgelöst.

Hans-U.Jakob, 17.11.03

In der Sommerversammlung 03 der Kirchgemeinde Lyss wurde unter dem Traktandum „Verschiedenes“ vom Kirchgemeinderat in allerknappester Form darüber informiert, dass man den Kirchturm an die Mobilfunkbetreiber Swisscom und Orange vermietet habe. Dies offensichtlich unter Umgehung der Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft der Kirchen im Kanton Bern, vorgängig einer solchen Vermietung zuerst das Fussvolk zu befragen.

Nachdem ein Anwohner (Arzt im Ruhestand) zusammen mit einer Anzahl beherzter Mitbürger/Innen in einem privaten 2-seitigen Brief an die Ratsmitglieder, auf die gesundheitlichen Folgen für die Nachbarschaft und auf die möglichen finanziellen Folgen für die Kirchgemeinde aufmerksam gemacht hatte, begann die Stimmung im Rat umzuschlagen.

Nichtsdestotrotz schrieb die Swisscom im August zusammen mit Orange, ihr Doppelprojekt in einer ordentlichen Baupublikation im Amtsanzeiger und im Amtsblatt aus, worauf es erwartungsgemäss auf der Bauverwaltung Lyss Dutzende von Einsprachen hagelte. Das Lokalfernsehen LOLY und die Lokalpresse nahmen sich des Themas an, wobei zu bemerken ist, dass ausnahmsweise einmal von den Medien nicht Partei zu Gunsten der Mobilfunker genommen wurde.

Die Wellen schlugen hoch und höher. Drohungen mit Kirchenaustritt und Schadenersatzforderungen erboster Nachbarn trafen bei den Ratsmitgliedern ein.

Heute nun blässt der Kirchgemeinderat zum Rückzug. In einem Inserat im Amtsanzeiger wird bekannt gegeben, dass man nochmals über die Bücher gegangen sei und den Vertrag vorzeitig gekündigt habe und damit das Antennenprojekt abgeschrieben sei. Man sei damit einer Minderheit entgegengekommen.
Der letzte Satz mit der Minderheit darf ernsthaft bezweifelt werden. Daraus könnte sehr rasch eine erdrückende Mehrheit werden.

Wütend über seine Ratsmitglieder ist offenbar Kirchgemeinderatspräsident und Landi-Verwalter Hans-Rudolf Schmutz. Er werde der Kirchgemeinde anlässlich der nächsten Versammlung vom 7. Dezember die Kosten des Vertragsbruchs darlegen.
Offensichtlich stützt er sich dabei auf Drohungen der Swisscom, welche unter allen Umständen auf Erfüllung des Vertrags beharrt. (Quelle: Berner-Zeitung)

Die Kirchenmitglieder brauchen sich nicht einschüchtern zu lassen.

Erstens ist der Vertrag unter arglistiger Täuschung zustande gekommen, indem Swisscom die Kirchgemeinderäte über die Gefahren der gepulsten Mobilfunk-Mikrowellenstrahlung absichtlich falsch oder zumindest ungenügend orientierte. Ein Einhalten der baurechtlichen Grenzwerte genügt heute längst nicht mehr, um gesundheitliche Risiken auszuschliessen. Das Bundesgericht betont ja selber stets, dass Grenzwerte nicht nach medizinischen Gesichtspunkten, sondern nach technischer Machbarkeit und finanzieller Tragbarkeit festgelegt worden seien. Urteil Nr. 1A 94/2000/sch.
Da nützt auch der vom Kirchgemeinderatspräsidenten nachträglich geforderte Orientierungsabend durch die Mobilfunkunternehmer nichts mehr. Denn hier wird stets mehr desorientiert als orientiert.

Und zweitens kann bei Unzumutbarkeit der Vertrag jederzeit fristlos gekündigt werden. Als unzumutbar wird durch die Gerichte ein solcher Vertrag beispielsweise erklärt, wenn ein Geschäftsinhaber als Standortvermieter infolge Boykotts durch die Bevölkerung mindestens 15% Umsatzeinbusse nachweisen kann.

Massen-Kirchenaustritte dürften jedoch weit schwerer wiegen als Umsatzrückgänge in irdischen Geschäften.
Zudem hat ein Kirchturm ganz andere Aufgaben zu erfüllen als zum Beispiel Kinderpornografie mittels SMS, MMS oder über UMTS zu verbreiten.

Von Hans-U. Jakob

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