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Der Medienworkflop des Forum Mobil

Der Medienworkflop des Forum Mobil

Oder: Stell Dir vor, es kommt Berz und keiner geht hin.

Von Dipl. Ing. Lothar Geppert, Diagnose-Funk, 10. August 2004

Am 3. August war es soweit: Kurz nach Bekanntwerden der Nailaer Ärztestudie [1], der sechsten epidemiologischen Studie um Mobilfunksender, welche zum sechsten Mal verheerende gesundheitliche Auswirkungen nachwies [2], lud das Forum Mobil die Presse zu einem „sachlichen Dialog“ ins Oltener Hotel ARTE. (Wir erinnern uns an dieser Stelle noch an Herrn Prof. Rylander, der den Dialog um Tabakstudien im Auftrag der Philip Morris„versachlichte“ und kürzlich von unserem Bundesgericht dafür endlich verurteilt wurde [3]. Nur so nebenbei.)

Wir Kritiker dachten uns: Das wollen wir uns auch einmal anhören! Wir müssen schliesslich auch wissen, wie man einen „sachlichen Dialog“ führt. Herr Kern vom Forum Mobil kann es uns sicherlich beibringen.

Aber was bedeutet eigentlich „sachlich“? Damit wir nicht völlig unvorbereitet in den Dialog einsteigen, nahmen wir zuerst das Lexikon zur Hand [4]. Dort steht:

Sachlichkeit, „der Sache angepasste, von keinen persönlichen Rücksichten geleitete Haltung.“

Wir übersetzen: Herr Kern passt seine Haltung der Sache (Mobilfunkbranche) an, wobei er hier keine Rücksicht auf seine persönliche Haltung nimmt, sondern auf die seiner Geldgeber. Korrekt, oder? Jetzt wissen wir, womit wir rechnen dürfen. Also dann, wir packten die Koffer und stiegen in den Zug nach Olten.

Vor Ort fanden sich einige Kolleginnen und Kollegen der sehr aktiven GIGAHERZ zu einer kleinen Mahnwache ein. Zum Warmlaufen bekamen die Redakteure am Eingang des Hotels zuerst diverse Stoffbanner und Poster zu lesen, etwa???

„Mobilfunk ist ungefährlich“, gezeichnet Dr. S. Wysskom.

„Juniors Hirn hat eine Macke, aber’s Handy an der Backe.“

„Auf Leukämie braucht man nicht warten, bei Empfang im Kindergarten“.

„Surft der Opa kabellos, wird der Tumor wieder gross“

Hätten wir jedoch gewusst, dass ausser den drei Redaktoren, die wir baten, mit uns zu gehen, nur ein weiterer selbstständig kam, hätten wir uns die Mühe wirklich nicht gemacht.

Als fünfter Gast stand Lothar Geppert auf der Liste.
Damit waren die Veranstalter und Referenten jedoch immer noch in der Überzahl [5]. Pünktlich um neun Uhr begann die grosse Einseifung – Entschuldigung, der „sachliche Dialog“. Nach einer kurzen Einleitung von Stefan Kern über seine „neutrale Organisation“ welche nun „konsequent fachliche Informationen“ einfliessen lassen möchte, begann Herr Grasser (Orange), uns zu präsentieren, wieso es Antennen dreier Netzbetreiber in der Art braucht, wie sie nun seit Jahren installiert werden. Und das Mobilfunk Leben rettet (durch schnellere Ankunft des Rega-Helikopters) wissen wir ja bereits alle aus unserem Alltag.

Während dieser Diskussion liess Lothar Geppert die folgenden, in den Augen der Betreiber offenbar „unsachlichen“ bzw. „emotionalen“ Argumente einfliessen:

Das jetzige Netzkonzept (starke Dachantenne leuchtet alle Keller aus) erzeugt im direkten Umfeld Feldstärken bis zu 6 Volt pro Meter (V/m). Solche Feldstärken könnte man mit intelligenteren Netzkonzepten (Inhouse Repeatern, Pico-Zellen, Multi-hop-Systemen, etc.) drastisch senken [6].

Die Konzessionen verlangen nur 0.000177 bzw. 0.00035 V/m (für GSM900 und UMTS bzw. GSM1800), und dies nur im Freien. Ein Handy funktioniert bereits bei 0.00000387 V/m [7]. Hier gibt es ein grosses Potential für immissionsarme Netzkonzepte.

Bei drei Netzbetreibern werden die Bürger mit drei Grundlastkanälen (BCCH-Kanälen) bestrahlt. Die Grundlastkanäle stellen bei GSM-Systemen die Hauptbelastung dar [8]. Besonders nachts (bei tiefer Netzauslastung) ist dies nicht sinnvoll.

Aber kehren wir zurück zu den „sachlichen“ Argumenten: Damit die Redakteure auch wirklich die Neo-Necessity des Mobilfunks einsehen, wurde als nächstes ein hyper In-Unternehmer in feinsten Nadelstreifen engagiert, um uns einen tiefen Einblick in seine GSM-SMS-PC-OLXSMS-MMS-WLAN-Bluetooth-GPRS-OMA-OWA-Exchange-ActiveSync-ARCO-FTP-Spielzeugkiste zu erlauben.

Als ein Redaktor im Anschluss an den Vortrag den Referenten Daniel Müller fragte, ob denn der Einsatz von Mobilfunk für seine Graphik-Firma unbedingt nötig sei, oder ob es einfach schön wäre, dass es ihn gibt, stockte den Lobbyisten kurz der Atem, als Jung-Unternehmer Müller kurz und bündig bestätigte: „Es ist schön dass es ihn gibt.“

Der Höhepunkt der Veranstaltung war jedoch – wie zu erwarten – die Ansprache des berühmt-berüchtigten Swisscom-Beraters Reinhold Berz. Diese Sorte „Professoren“ wurde kürzlich von einem Redaktor des „Bruchköbler“ treffend wie folgt beschrieben [9]: „Es sind die gewissenlosen Elemente, die auf keines der kritischen Agumente hören wollten, weil ihnen die schwarzen, chromglänzenden Automobile und andere sinnlose Statussymbole wichtiger waren, als das Wohl ihrer Mitmenschen.“

Wie immer sorglos lächelnd, betonte Herr Berz zu Anfang, dass es keine Berufskrankheiten in der Hochfrequenz-Technik gäbe. In Realität witzelten Radartechniker bereits im zweiten Weltkrieg, dass sie ihren Kollegen vor dem Heimurlaub eine kurze Mikrowellen-„Behandlung“ zur Sterilisation verpassen könnten, damit deren Frauen nicht schwanger werden [10]. Wissenschaftlich belegt wurden Berufskrankheiten mit statistisch hoher Signifikanz bereits von den folgenden Forschern (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Lancranjan et al. 1975, Robinette et al. 1980, Källén et al. 1982, Lin et al. 1985, Milham 1985a, Thomas et al. 1987, Garland et al. 1990, Hayes et al. 1990, Demers et al. 1991, Törnquist et al. 1991, Davis et al. 1993, Ouellet-Hellstrom & Stewart 1993, Cantor et al. 1995, Holly et al. 1995 & 1996, Beall et al. 1996, Grayson 1996, Szmigielski 1996, Tynes et al. 1996, Bortkiewicz et al. 1996, Weyandt et al. 1996, Lagorio et al. 1997, Finkelstein 1998, Smulevich et al. 1999, Richter et al. 2000 & 2002 [11].

Auch diese Studien wurden jedoch nicht angesprochen, ganz nach dem Motto des Forum Mobils, „konsequent fachlich“ zu informieren.

Stattdessen versuchte man die niederländische TNO-Studie zu zerreden, etwa mit der Kritik, dass die Erholungsphasen von 15 Minuten zwischen zwei halbstündigen Bestrahlungen sensibler Personengruppen zu kurz gewesen wären – während der industrienahe Chef des EU-Programms COST 281, Norbert Leitgeb, seine Probanden im Minutentakt bestrahlt und (aus Sicht der Industrie leider) immer noch zu brauchbaren Resultaten kommt.

Dass es sich bei den Effekten, welche in der TNO-Studie gefunden wurden, auf keinen Fall um thermische Effekte handelt, hielt Herrn Berz nicht davon ab, aus Infrarot-Aufnahmen zu schliessen, dass es hier auf keinen Fall zu irgendwelchen Effekten kommen könne. Hier verliess Herr Berz dann endgültig den Pfad der Sachlichkeit, worauf Lothar Geppert vom Forum Mobil gebeten wurde, nun nicht mehr in den Vortrag hineinzureden. Hierfür muss man natürlich Verständnis haben, denn im Forum Mobil möchte man „emotional geführte Diskussionen“ strikt vermeiden [12].

Als Seifenblase abgetan wurden die biologischen Effekte an der Blut-Hirn-Schranke, welche bereits in 14 wissenschaftlichen Studien in der Hochfrequenzforschung bestätigt wurden. Allein das Forschungsteam von Leif Salford hatte diesen Effekt bereits an 1600 Ratten getestet und bestätigt. Die Absicht des Forum Mobil, „vermehrt“ zu informieren, bezieht sich demnach nicht auf den Umfang des Beweismaterials, sondern eher auf die Häufigkeit der Vorträge des Herrn Berz.

Herr Berz schloss seinen Vortrag schliesslich mit der Bemerkung, dass die Forschung immer mehr Entwarnung geben würde. Wer die Szene beobachtet, stellt jedoch fest, dass z. T. durch die Entlassungen kritischer Forscher wie Prof. Frentzel-Beyme, Prof. Roger Santini, Prof. Semm oder Dr. von Klitzing, und zum Teil durch das gezielte Besetzen von Gremien, immer mehr Literaturstudien behaupten, dass die gefundenen Effekte nicht bedenklich seien. Dies ist jedoch ein kleiner Unterschied.

Die Fragestunde
Als es zwischendurch zu Fragestunden kam, meldete sich dann eine Redakteurin und berichtete, dass ihr immer das Ohr schmerzt, wenn sie mit dem Handy telefoniert. Als Herr Berz zur Erklärung ausholte, warf sogar der vom Forum Mobil engagierte In-Unternehmer ein, dass auch ihm ganz schön der Schädel brummt, wenn er eine Stunde am Handy war??? Worauf wir annehmen dürfen, dass Herr Müller nun nicht mehr die erste Wahl für den nächsten Auftritt darstellt.

Wie auch immer: Herr Berz erklärte Herrn Müller sofort, dass dies, ebenso wie Schwindel, ein thermischer Effekt wäre, der auch dann eintritt, wenn man sich nur die warme Hand ans Ohr hält oder warmes Wasser ins Ohr laufen lässt. Der Vorstand der diagnose-funk befindet sich nun seit Tagen im Badezimmer und kann das nicht bestätigen.

Als Abschiedsgeschenk des Forum Mobil erhielt jeder Redakteur dann noch die „sachliche“ Hochglanz-Broschüre „Sicher telefonieren“, in welcher pauschal geschrieben steht „Keine Hinweise auf gesundheitsschädigende Auswirkungen“ – abgesegnet vom höchst umstrittenen Michael Repacholi (WHO-EMF). Denn auch bei der WHO hat man sich ganz im Sinne der Sachlichkeit, also „der Sache angepasst“ (Siehe Lexikon).

Nur was nutzt das millionenschwere Trommelfeuer der Lobbyisten, wenn die überzogenen Vorträge der Referenten schon so weit über die Kurve hinaus gehen, dass niemanden mehr kommen möchte?

Das Forum Mobil ist auf dem sicheren Weg zum Alleinunterhalter – ohne Verharmlosungen [12]…

[1] http://www.baubiologie-regional.de/eine_news.php3?nNewsID=243

[2] Die anderen 5 sind: Santini et al. 2002, Hutter et al. 2002, Santini et al. 2003, Navarro et al. 2003, und die „Bayerische Rinderstudie“ (siehe http://www.buergerwelle.de/d/doc/aktuell/pmll.htm).

[3] In erster Instanz wurden die zwei Kläger und Tabakgegner noch wegen übler Nachrede zu einer Zahlung von je 4000 CHF an den Professor verpflichtet, siehe http://www.buergerwelle.de/d/doc/aktuell/pmll.htm.

[4] Grosses illustriertes Lexikon, Grossversandhaus Quelle, Fürth, 1970.

[5] Auf der Seite der Veranstalter waren anwesend: Stefan Kern (PR Manager Forum Mobil), Reinhold Berz (Berater Swisscom), Markus Chastonay (Kantonales Amt für Umwelt), Christian Grasser (Orange Communications AG, Umwelt), Daniel Müller (OFS Group) und eine Dame des Forum Mobil, welche sich nicht namentlich auswies.

[6] Siehe auch miniWatt-Report des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu immissionsarmen Mobilfunkonzepten, http://www.hese-project.org/de/emf/Technik/Documents/20040401_Abschlussbericht_miniWatt.pdf (27 MB)

[7] gemäss einem vorliegenden Brief der Orange Communication AG am 7. November 2003.

[8] Messkampagne der Uni Zürich & Uni Basel „Hochfrequenzstrahlung und Mobilfunk-Basisstationen“, M. Wanner, M. Röösli, u.a. Seite 70: „Die Basislinie betrug generell etwa 80% des Maximalwertes, was darauf schliessen lässt, dass die Antennenauslastung keinen allzu grossen Einfluss auf die Messwerte hatte (???). Der Mittelwert der 24 Stunden-Messung war etwa vergleichbar mit der Höhe der Basislinie.“ Anm: Höhe der Basislinie = Feldstärke des BCCH Grundlastkanals.

[9] Auszug aus „Ärzte aus Bayern schlagen Alarm“, Der Bruchköbler, Ausgabe 5, 2004, am 5. August 2004 unter http://www.bruchkoebler.de/bruchkoebel_77.htm.

[10] Auszug aus Paul Brodeur, „Mikrowellen, die verheimlichte Gefahr“, Augustus Verlag, Augsburg, 1990. ISBN 3-8043-2587-4.

[11] Siehe z.B. http://www.salzburg.gv.at/Epidemiologische_Untersuchungen.pdf.

[12] Gemäss Handout zum Medienworkshop.

Weiteres dazu unter:

Stell dir vor, es kommt Prof. Berz und keiner geht hin (unter Kurz und bündig)

Von Hans-U. Jakob

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