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Das Walliser Kantonsgericht kneift

Das Walliser Kantonsgericht kneift

Der Walliser Staatsrat hat im November 05 das Aufstellen von UMTS-Sendern verboten, weil diese Strahlungsart (noch) nicht messbar ist. Nun fällt das Kantonsgericht als Oberinstanz dem eigenen Staatsrat in den Rücken.

Das Walliser Kantonsgericht gibt allerdings mit Urteil A1 05 209 vom 19.5.06 unumwunden zu, von Mobilfunk und dessen Folgen für die menschliche Gesundheit nicht die geringste Ahnung zu haben und sich bei der Beurteilung von Mobilfunkfällen lediglich auf Aussagen der Bundesämter in Bern zu stützen. Vertrauen auf politisch vorgespurte Bundesämter, die Mobilfunkkonzessionen in Millionenhöhe verkaufen und als vorgesetzte Stelle einen Bundesrat haben, der gleichzeitig Hauptaktionär beim grössten Schweizer Mobilfunkbetreiber ist. Ob das gut kommt?

Hans-U. Jakob 1.6.06

Das Kantonsgericht ist dem Obergericht oder Verwaltungsgericht anderer Kantone gleichzusetzen. Das heisst, der höchsten Gerichtsinstanz im Kanton und der zweithöchsten im Land. Nachher kommt nur noch das Bundesgericht in Lausanne.
Wörtlich schreibt das Walliser Kantonsgericht in Abs.5.1:

„Es ist unbestritten dass die Mobiltelefonie gesundheitliche Risiken für die Bevölkerung in sich birgt. Über deren Intensität und Charakter gehen die Meinungen in der Wissenschaft und in weiten Kreisen der Bevölkerung weit auseinander, was nicht zuletzt das vorliegende Verfahren erneut zeigt…………….(hoppla! die Red.)
Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen (von wissenschaftlichen Studien, Red.) sind unterschiedlich und es fehlen dem Richter sowohl die naturwissenschaftlichen Fachkenntnisse wie auch der Überblick über den Stand der internationalen Forschung, um die Seriosität und den Beweiswert der, auch in diesem Fall hinterlegten und angerufenen Studien zu prüfen.
Insbesondere gilt das für die kantonalen Gerichte, die in der Regel keine Stellungnahmen von Bundesämtern verlangen können.
Das Bundesgericht hat deshalb den kantonalen Gerichten zugestanden, dass sie sich auf die Prüfung beschränken dürfen, ob die Bewilligungsbehörden die Vorgaben der zuständigen Fachbehörden des Bundes berücksichtigt haben und ob die Entscheide mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtes übereinstimmen.
Das Kantonsgericht wird sich somit mit den von den Beschwerdegegnern (Einsprechern Red.) hinterlegten und angerufenen Studien nur unter dieser beschränkten Sichtweise befassen.“

Wenn schon hilflos, sind sie wenigstens ehrlich, die Walliser Kantonsrichter, indem sie offen zugeben, von der Materie Mobilfunk so gut wie nichts zu verstehen. Diese Töne von einer zweithöchsten Schweizer Gerichtsinstanz sind erst- und einmalig. (Bravo!)
Was nicht stimmt, ist die Behauptung, dass Kontonsgerichte keine Stellungnahmen von Bundesämtern einholen dürfen. „Dürfen“ dürfen die nämlich das, nur „müssen“ müssen sie nicht, wenn sie nicht wollen „müssen“. Weil ihnen ja das Bundesgericht offenbar erlaubt hat nicht „müssen“ zu dürfen. Die Juristerei ist halt schon eine verzwickte Angelegenheit.
Immerhin hat da das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eine etwas einfachere Sichtweise. im Kanton Zürich müssen die nämlich „dürfen“. Siehe etwas weiter unten.

Unter der etwas beschränkten Sichtweise, wie das hohe Walliser Gericht selber sagt, wurden denn auch die von den Einsprechern vorgebrachten Gutachten zur Nicht-Messbarkeit von UMTS-Strahlung und zur unbrauchbaren Softwarelösung der Leistungs- und Tiltbegrenzung nicht gewürdigt. Das heisst es wurde nur auf Aussagen der völlig mobilfunkfreundlichen Bundesämter abgestellt. Auf Aussagen des Bundesgerichtes konnte sich das Walliser Kantonsgericht dabei nicht stützen, da es hierzu schlicht noch keine Bundesgerichtsurteile gibt.
Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Ausführungen ist der folgende Artikel zum Lesen empfohlen.

UMTS-Strahlung ist offiziell gar nicht messbar (unter Recht oder Unrecht)

Dass UMTS-Strahlung auch 3 Jahre nach Erscheinen eines Entwurfs zu einer provisorischen Messempfehlung für Messungen im UMTS-Bereich immer noch nicht zuverlässig und brauchbar messbar ist, hat die Walliser Kantonsrichter in keiner Art und Weise beeindruckt.
Auch die Tatsache nicht, dass das Bundesgericht diese Lösung seit 3 Jahren nur als provisorische Übergangslösung gelten lässt. Wie lange eine provisorische Übergangslösung in Lausanne wohl dauern mag? Wahrscheinlich bis zu dem Zeitpunkt, wo die UMTS-Netze aus Altersgründen wieder abmontiert werden? So um die 10-15Jahre?
Erst recht nicht beeindrucken liessen sich die Walliser Richter von den 2 Gutachten, welche von den Einsprechern beigebracht wurden, die eine Ungenauigkeit von bis zu Faktor 4.3 in den im November 2005 gestarteten, gross angelegten Messversuchen des METAS (Bundesamt für Metrologie und Akkreditierung) bemängelten. Faktor 4.3 heisst zum Beispiel wenn ein Messgerät eine Strahlung von 2V/m anzeigt, es ebensogut 8.6 oder nur 0.46V/m sein könnten.

Wie hätte das auch Eindruck machen können, wenn die Richter gleich von Beginn weg erklärten: „Von Mobilfunk verstehen wir halt nichts.“
Das Walliser Kantonsgericht schob den schwarzen Peter einfach mit folgender Begründung weiter: „Diese Beurteilung obliegt primär dem Bundesrat und seinen Fachstellen.“

Unterdessen geht die „Bastlerei“ bei „METAS“ offensichtlich weiter. Ende Juni 06 will man mit den bisher 7 akkreditierten Messlabors nochmals zusammenkommen, um festzustellen, ob sich in der Zwischenzeit etwas gebessert hat.

Das dürfte kaum der Fall sein. Denn Ende Mai hat eine Gigaherz-Gruppe bei 6 von 7 Messlabors in einer verdeckten Umfrage angefragt, ob sie UMTS-Messungen durchführen könnten und wenn JA, welche Genauigkeit garantiert werde.
Selbstverständlich könne man das und sei für UMTS-Messungen sogar bundesamtlich akkreditiert. Mit allen Drum und Dran, mit strahlendem Schweizerkreuz und so.
Doch zur Genauigkeit wollte partout niemand Auskunft geben. Auch nach telefonischem Nachhaken nicht. Das lässt tief blicken!

In Sachen Leistungs- und Tiltbegrenzung begnügt sich das Walliser Kantonsgericht mit dem vom BAFU (Bundesamt für Umwelt) vorgeschlagenen Qualitätssicherungssystem, von Kritikern etwa auch „Mistkarren“ genannt, statt mit einer angemessenen Retourkutsche.

Sehen sie dazu unbedingt bei

Retourkutsche oder Mistkarren? (unter WHO/ICNIRP/CH-Behörden)

Das Kantonsgericht begnügt sich einfach damit, das Rundschreiben des BAFU vom 16.1.06 wortwörtlich abzuschreiben und zum Urteil zu erheben. Blieb ja wohl nichts anders übrig, wenn man von Mobilfunk zugegebenermassen nichts versteht.
Etwas Zusätzliches hat man in Sitten doch noch hergefunden. Nämlich dass es „unverhältnismässig“ sei, den Bau von UMTS-Antennen zu verbieten, nur weil man nicht sicher sei, wie stark und wohin diese strahlen würden und wer das je einmal dauerhaft kontrollieren werde. (Erwägungen 5.3.4.3) Unglaublich aber wahr!

Da ist nun das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zum Glück ganz anderer Meinung. Im Protokoll VB.2006.00034 vom 22.5.06 steht nämlich zu lesen:

„Des Weiteren stellt sich die Frage, in welcher Weise Ende 2006, sowie bei späteren Kontrollen beurteilt werden kann, ob ein Netzbetreiber die Verpflichtungen gemäss dem Rundschreiben des BAFU (vom 16.1.06) erfüllt. Dass Netzbetreiber den Auditierungsbericht der externen Prüfstelle jeder Bewilligungs- und Rechtsmittelinstanz vorlegen, scheint wenig praktikabel. Und es steht nicht fest, dass diese Instanzen in der Lage sein werden, den Bericht selbständig zu beurteilen. Die Frage bedarf schon heute der Klärung. Damit nämlich Baubewilligungen für Antennenanlagen auch während der Übergangsphase behandelt werden können, sind im Rahmen von Nebenbestimmungen die Rechtsfolgen zu regeln, welche die Nichterfüllung der genannten Verpflichtung nach sich zieht.“

Das ist dicke Post, welche da an das BAFU abgeschickt wurde! Einerseits wird den Bewilligungsbehörden die Fachkompetenz, Mobilfunk-Prüfberichte beurteilen zu können, glatt abgesprochen, was auch zutrifft (Bravo!) und anderseits werden Strafmassnahmen für die ehrenwerten Mobilfunkgesellschaften gefordert, die das QS-System wohl unterschreiben, aber später dann nicht einhalten.

Wir sind gespannt, wie das BAFU diese völlig unerwarteten Fragen beantworten wird!

Fazit für das Wallis:
Die Gemeinde Zermatt wurde angewiesen, das UMTS-Baugesuch unter der Auflage zu bewilligen, dass das QS-System nach Rundschreiben BAFU vom 16.1.06 anzuwenden sei und alle andern umweltrechtlichen und zonenplanrechtlichen Bedenken nicht relevant seien.

Wie geht es weiter?
Sowohl der Staatsrat des Kantons Wallis, welcher den Bau von weiteren UMTS-Antennen verboten hat, wie die Gemeinde Zermatt, welche das Baugesuch aus Umwelt- und zonenplanrechtlichen Gründen nicht behandelt hat, sowie die privaten Einsprecher können das Urteil ans Bundesgericht weiterziehen, was nach heutigen Erkenntnissen mit grosser Wahrscheinlichkeit der Fall sein wird.
Und wenn den privaten Einsprechern die Baubewilligung der Gemeinde ins Haus flattert, haben diese wiederum Gelegenheit, diese nochmals mit der Begründung anzufechten, dass das QS-System untauglich und UMTS nicht messbar sei. Das Strahlenkarusell im Wallis un in der übrigen Schweiz dreht sich noch lange weiter.

Um sicher Recht zu tun, braucht man sehr wenig vom Recht zu wissen. Alleine, um sicher Unrecht zu tun, muss man die Rechte studiert haben (Georg Christoph Lichtenberg)

Von Hans-U. Jakob

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