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Das Porträt

Das Porträt

Erschienen in den Schweizer Mittelland-Zeitungen vom 15.10.05

Die Presse, sonst eher darauf bedacht, sich in Sachen Elektrosmog vorsichtig auszudrücken, um sich die Gunst der Industrie nicht zu verscherzen, hat eine wohltuende Ausnahme gemacht. Die Vorstandsmitglieder von Gigaherz nehmen mit Freude und Genugtuung zur Kenntnis, dass die BERNER ZEITUNG ein sehr menschliches Gesicht gezeigt und dem Wirken des unermüdlichen Kämpfers Hans-Ulrich Jakob das nachfolgende Porträt gewidmet hat. Eine Würdigung seiner Arbeit hat Hans-Ulrich Jakob ja schon längst verdient, als ein Mensch, der nicht zuerst einen Besenstiel verschlucken muss, damit er mit geradem Rückgrat durchs Leben gehen kann. Dieses hat er in all den Jahren immer gezeigt und daran wird sich auch nichts ändern.

Im Namen des Vorstandes von Gigaherz
Gisela Kares, Vizepräsidentin
Evi Gaigg, Sekretariat

?Die Geschichte wird mir Recht geben?

von Sarah Berndt, Berner Zeitung; 15.10.2005

Hans-Ulrich Jakob aus Schwarzenburg
Er wäre ein guter Grossvater. Ein Geschichtenerzähler. Ein Bastler. Aber Hans-Ulrich Jakob, 67, aus Schwarzenburg, bastelt nicht – er misst. Elektrosmog. Und kämpft unermüdlich dagegen an.

Viele Kämpfe hat er schon geführt. Die meisten hat er gewonnen. Sein bisher grösster Sieg: die Schliessung des Kurzwellensenders Schwarzenburg. Ruhestand? Davon ist Hans-Ulrich Jakob, 67 Jahre alt, weit entfernt. Er hat ein neues Schlachtfeld gefunden: den stetig wachsenden Antennenwald.
Hans-Ulrich Jakob kämpft nun gegen elektromagnetische Wellen, gegen Behörden, gegen zu lasche Grenzwerte. Und er will erst ruhen, wenn eine neue Technologie eine strahlenfreie Umgebung ermöglicht.

Seine Frau Katharina würde lieber mit ihm wandern, den Ruhestand geniessen. Sie sagt es ihm, täglich fast. Doch Ehemann Hans-Ueli hat eine Mission. Jeden Tag um Punkt Viertel vor acht Uhr morgens geht er ins Untergeschoss, dort ist sein Büro, sind seine Messgeräte, findet er seinenLebensmittelpunkt. Und da bleibt er bis am Abend sitzen. Ein Getriebener. Und ein Jäger zugleich.

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Bild: Berner-Zeitung

Der Nimmermüde
Hunderte Ordner, grüne, blaue, gelbe, sind ordentlich auf Regalen aufgereiht, die bis an die Decke reichen. An der Wand tickt eine Kuckucksuhr, ein altes Kioskplakat der WOZ – der linken ?WochenZeitung? – hängt an der Türe:

?Singende Dachrinnen, böse Rehe, schlaflose Menschen, irre Traktoren: Elektrosmog in Schwarzenburg.?

Mehrere Computer stehen da, Drucker, Fax, Beamer. Immer wieder klingelt das Telefon: Eine Frau aus St. Gallen, die eine Einsprache machen will. Ein Mann aus Herrenschwanden, der sich um sein Wohlbefinden sorgt. Jakob hängt auf, winkt ab: ?Ach, dort hab ich gemessen. Da ist nichts.? Am Morgen war das Fernsehen da, einmal mehr.

Wenn er ein bisschen frei hat, ?selten genug?, sagt er, dann liest er. Krimis, John Grisham am liebsten, ?da kann man eine Menge lernen?. Und früher, da führte er gar mal eine eigene Segelflugschule in Thun. Dreissig Jahre ist das inzwischen her.

?Man hört es nicht, sieht es nicht, riecht es nicht, sagt Hans-Ulrich Jakob. ?Und doch ist es da. Eine Gefahr, die tödlich sein kann.? Eine, deren er mit Hilfe seiner Messgeräte auf die Spur kommen will. Ein ganzer Kellerraum voller technischer Geräte und Basteleien, gleich neben dem Büro. Das neuste, sein ?Spectrum Analyzer?, mit dem er die elektromagnetischen Belastungen messen kann, kostet fast so viel wie ein kleiner Neuwagen: 18 000 Franken. Von Spenden bezahlt er das und von bescheidenen Honoraren, die er für Messungen bekommt.

Wenn er mit seinem Gerät im Dorf auftaucht, bleiben die Leute stehen oder stecken die Köpfe zum Fenster hinaus. Was er wohl wieder ausheckt? ?Ich bin halt ein Spinner?, sagt Jakob über Jakob und schmunzelt.

Der Kommunist
Er ist ein Held in Schwarzenburg. Das war nicht immer so. Als er Ende der 80er-Jahre mit seinen Nachforschungen begann, wurde er schräg angesehen. Zwei Gemeindeschwestern erzählten, dass es seltsam viele Krebsfälle gebe rund um den Sender. Landwirte klagten bei ihm über Schlaflosigkeit, Bäuerinnen über Depressionen. Kinder hatten Schulprobleme. ?Ich wusste, da stimmt etwas nicht, und das hängt mit dem Sender zusammen.? Jakob, seit seiner Kindheit ein Elektronikfan, begann zu messen. Und zu kämpfen. Lange allein.

Es war nicht sein erster Kampf. In den 60er-Jahren hatte er sich die Wirbelsäule gebrochen, Monate, die er im Spital verbrachte. Er ist wieder aufgestanden. Und als er eine Weile in Oberbalm wohnte, erreichte er, dass der Schiessplatz weichen musste: zu viel Lärm. Nun also war Jakob in Schwarzenburg angekommen. Ein erstes Messgerät sei auf dem Zoll verschwunden, erzählt er. Er ist überzeugt: Staatsschützer haben ihn auf Schritt und Tritt überwacht. Er sei verleumdet worden, die Bevölkerung habe man gegen ihn aufgehetzt, ?sie haben nicht mehr mit mir gesprochen, man darf nicht vergessen, das war mitten im Kalten Krieg?. Und der Schwarzenburger Kurzwellensender eine Schweizer Stimme in der westlichen Welt wider die kommunistische Bedrohung.

?Kommunist? wurde auch Jakob geschimpft, ?Landesverräter?, ?Extremist?. Seine Frau habe noch viel mehr gelitten als er, im Dorf, in den Läden, und die Töchter Christine und Simone, Jahrgang 62 und 65. In Moskau soll er gar gewesen sein, erzählt er. Dabei habe er, Jakob, der gelernte Elektriker, spätere Elektrotechniker, der nie im Militär gewesen war, während Jahren für die Amerikaner U-Boote gebaut. ?Jaja, das ist auch eine Seite in Jakobs Leben?, sagt er. ?Aber ich weiss, dass das unglaubwürdig klingt.? So unglaublich – man muss es glauben. Am Genfersee sei das gewesen, sehr geheim – und weit weg von Moskau. ?Mein Herz schlägt schon links?, sagt Jakob. Aber Kommunist – nein, nein, davon könne keine Rede sein. Für die SP hat er als Grossrat kandidiert, für die Grünen als Schwarzenburger Gemeinderat. ?Aber ich bin kein Politiker. Ich bin Aktivist?, sagt er, die Hand auf dem Beamer. Er zeigt Bilder vom Kurzwellensender, Pläne, Messdaten. Und dann: Bilder vom Abriss.

Als 1998 die letzte Sendung in die Welt geschickt wurde, hat er mit seinen Mitstreitern ein Feuerwerk gestartet. Ein freudiger Moment im Leben des Hans-Ulrich Jakob. Aber richtig feiern – nein, dafür habe es zu viele Schäden gegeben, kranke Menschen, Tote gar, und dem Wald sehe man es noch heute an. ?Das geht noch Jahre, bis der sich erholt hat.?

Der Sieger
In Mamishaus, einem kleinen Dörfchen bei Schwarzenburg. Hier sendete der Kurzwellensender Schwarzenburg. Ein einziger Mast steht noch da. ?Ein Mahnmal, oder ein Denkmal, je nachdem?, sagt Jakob und blickt aus seiner grossen Brille zufrieden auf die Umgebung. Kühe grasen hier, wo die Antennen bis zu 100 Meter weit in den Himmel ragten, aus dem Kamin des Bauernhofes steigt ein Rauchwölkchen. Kinder spielen auf der Strasse. Das Betriebsgebäude steht noch da, mittlerweile dient es dem Museum für Kommunikation als Lager. ?Diese Menschen hier, die waren ganz schlimm dran?,sagt Jakob. Aber jetzt blühen sie auf, sagt er, ?sehen Sie, die Kinder, die genau in der Senderichtung der Afrika-Sendung wohnten?. Nicht einmal die Gemeinde hat ihm geglaubt. Sogar eine Morddrohung habe er erhalten.

Jakob liess sich nie beirren. Er mahnte weiter, mass weiter, entdeckte gar, dass die Strahlen in vier Kilometern Entfernung stärker waren, ?weil direkt in der Senderichtung?. Endlich, Anfang der 90er-Jahre, begannen sich auch die Schwarzenburger zu wehren, sie gründeten einen Verein, eine Studie der Uni Bern wies gesundheitliche Auswirkungen nach. Der Sender wurde geschlossen. Die Region atmete auf. Jakob atmete auf.

Der Getriebene
Ein halbes Jahr dauerte die Ruhe, dann legte Jakob wieder los. Die Mobilfunkantennen begannen zu spriessen, eine nach der anderen, und Jakob ist überzeugt: Mit jeder steigt auch das Risiko für die Gesundheit, steigt die Gefahr. Unermüdlich kämpft er weiter, sitzt täglich bis zu 15 Stunden im Büro, und wenn er nicht dort sitzt, reist er durch die Schweiz, hält Vorträge, organisiert Kongresse, misst Belastungen.

Warum, Herr Jakob, tun Sie das? ?Weil es Menschen gibt, denen es schlecht geht, da muss ich einfach helfen.? Sind Sie ein Extremist, Herr Jakob? ?Es gibt Leute, die sagen das. Ich glaube, dass unsere Gesundheit stark bedroht wird, und die Firmen rüsten weiter auf, auf unsere Kosten.? Und nach einerkurzen Pause: ?Die Geschichte wird mir Recht geben.? Eine Welt ohne Handy? ?Nein, aber mit einer anderen Technologie. Oder zumindest weniger Antennen.? Das wünscht er sich. Sein Verein ?gigaherz.ch?, erzählt er, hat mittlerweile rund 500 Ortsgruppen, das sind vielleicht 50 000 Mitglieder, querbeet, und es werden immer mehr. Und wo er seine Vorträge hält, ob vor einer Sekte, vor der Partei der Arbeit oder vor Wissenschaftlern, ist ihm einerlei. ?Nur vor den Esoterikern, vor denen nehm ich mich in Acht.? Seine Materie sind messbare Felder – keine abstrakte Energie.

Der Angegriffene
In Dorf Schwarzenburg sitzen die Wunden teilweise tief. Der damalige Gemeindepräsident Peter Kreuter (SVP) glaubt noch heute, Jakob habe übertrieben, sei übers Ziel hinausgeschossen. ?Sicher, er hat die Leute mobilisiert.? Aber Jakobs Verdienst – nein, das sei die Schliessung nicht gewesen. Und überhaupt, die Behörden hätten ja auch etwas unternommen. Aber man müsse auch bedenken, durch die Schliessung des Senders seien Arbeitsplätze verloren gegangen. Bedauern, Herr Kreuter? ?Nein, das schon nicht, für die Leute war die Schliessung sicher eine Erleichterung.? Der ehemalige Gemeindepräsident vom Nachbardorf Rüeggisberg, Gottfried ?Godi? Bucher (SVP), mag gar nicht über die damalige Zeit sprechen. Aber die verlustigen ?drei, vier Arbeitsplätze?, die beklagt auch er.

Auch die Bundesämter kennen Jakob, lange schon. ?Aber über persönliche Beziehungen können wir keine Auskunft geben?, heisst es beim Buwal, das Gleiche beim Bundesamt für Gesundheit. Ebenfalls kein Unbekannter ist Jakob bei den Mobilfunkbetreibern. ?Wir haben schon öfter mit ihm zu tun gehabt?,sagt Tilman Eberle von Orange. ?Er hat oft eine einseitige Sichtweise, die wir nicht nachvollziehen können.? Claude George, Leiter Swisscom Mobilfunk und Umwelt, war mit Jakob gar schon mittagessen. Jakob sei ein Gegner, klar. Aber als solcher auch ernst zu nehmen.

Anders sehen es Leute aus der Bevölkerung: ?Die Behörden hätten ohne Druck aus der Bevölkerung nichts gemacht.? Der Schwarzenburger Erich Laager war damals ?am Rande? dabei, als es gegen den Kurzwellensender ging. Und heute ist er Präsident des ?Vereins für gesundheitsverträglichen Mobilfunk Schwarzenburg?. Sie sind unabhängig von Jakob, sagt er, aber: Sie lassen sich von ihm beraten. Denn fachlich hätten seine Daten noch immer gestimmt. Menschlich – das sei eine andere Sache. ?Sein Stil ist manchmal zu reisserisch.?

Wenn Jakob solches hört, schmunzelt er. Widerstand spornt ihn an. Klar, manchmal sei er vielleicht schon ?zu gäi? auf die Sache los. Aber: ?So hören mir die Leute jedenfalls zu.? Zweifeln – nein, das tut er nicht. Nie. Nur sehr selten denke er: Ach, wenn die Antennen nicht wären. ?Dann könnte ich mal wieder segelfliegen. Oder wandern. Mit meiner Frau.?

Sarah Berndt

Zur Person

Hans-Ulrich Jakob

Hans-Ulrich Jakob wurde 1938 geboren. Aufgewachsen ist er in Riggisberg. Bis zu einem schweren Arbeitsunfall in den 60er-Jahren arbeitete er als Elektriker. Danach besuchte er das Abendtechnikum und machte sich 1980 als Elektrotechniker selbstständig. Jakob ist seit 1962 verheiratet, er hat zwei erwachsene Töchter. Bekannt wurde er durch seinen Widerstand gegen den Kurzwellensender Schweizer Radio International. Dieser wurde 1998 geschlossen. In den letzten Jahren engagierte sich Jakob mit seinem Verein ?gigaherz.ch? gegen die Belastung durch Mobilfunkantennen.

Tomas Wüthrich sab

Von Hans-U. Jakob

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