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Das Bundesgericht baut uns eine Notbremse

Das Bundesgericht baut uns eine Notbremse

Ob sich das hohe Gericht bewusst ist, welche grossartige Notbremse es uns da liefert?
Wir müssen diese jetzt nur noch fleissig ziehen!

Hans-U. Jakob, 17.10.05

Die Mobilfunkbetreiber werden immer dreister
Setzten sie bis anhin ihre Antenne entweder auf hohe freistehende Masten oder auf hohe Betonsilos mit Flachdächern, kommen sie jetzt immer weiter herunter und strahlen knapp über die Dachfirste hinweg.
Da bereits auf jedem nutzbaren hohen Betonbau eine oder mehrere Antennen stehen, werden jetzt die Besitzer älterer Miethäuser angegangen. Miethäuser mit Firstdächern aus einer Holzkonstruktion und gebrannten Ziegeln.
Die Holzkonstruktionen weisen keine hohen Festigkeiten auf Diagonalbelastungen auf, so dass wegen dem Winddruck meist nur sehr niedrige Masten verwendet werden, deren Antennen dann knapp über die Dachfirsten der Nachbarhäuser hinwegstrahlen.
Auch wegen des Gewichts der Masten, die meist nur auf einer dünnen Decke der obersten Wohnung zu stehen kommen, können keine schweren Konstruktionen gebaut werden.

Besitzer wohnen gar nicht da
Nebenbei wäre noch zu bemerken, dass die Besitzer dieser Miethäuser gar nicht hier, sondern vielfach in einem Seniorenheim leben und vielfach bereits 90 und mehr Jahre alt sind. Sie wissen in den meisten Fällen gar nicht, was sie da mit dem Mietvertrag unterschreiben, sondern sehen nur das Köfferchen mit den vielen schönen Tausendernoten, welches ihnen der Standorthändler unter die Nase hält.

Auch gibt es neuerdings etliche Gemeinden, welche zwecks Abwehr des Antennenwildwuchses ihre Baureglemente so abgeändert haben, dass Dachaufbauten, also auch Mobilfunkantennen, die Firsthöhe nicht mehr überschreiten dürfen.
Leider glauben diese Gemeinden, dass sei die einzige Möglichkeit, um die Gesundheit ihrer Bürger/Innen zu schützen, weil das Gesundheitsargument durch korruptes Bundesrecht zu nichte gemacht worden ist.
Solche Reglemente machen den Mobilfunkbetreibern indessen nicht den geringsten Eindruck. Sie hängen ihre Antennen einfach tiefer, meistens direkt an die Fassaden.

Die Leidtragenden sind in beiden Fällen die direkten Nachbarn, welchen man dann direkt in die Schlaf- und Wohnzimmer hineinleuchtet.
Hineinleuchten ist der richtige Ausdruck, denn Mobilfunkstrahlung hat quasi optische Eigenschaften und das Strahlungsbild einer Antenne ist durchaus mit demjenigen eines Scheinwerfers vergleichbar.

Buwalstrahlung.JPG
Bild: CH-Bundesamt für Umwelt Wald und Landschaft (BUWAL)

Trotz der um 100 mal zu hohen, (von der Industrie selbst festgelegten) Schweizer Grenzwerte geraten jetzt die Mobilfunkbetreiber bei dermassen tief unten angebrachten Antennen öfters etwas über den Rand des Erlaubten hinaus.
Sie glauben, das im Griff zu haben, indem sie auf den Standortdatenblättern, welche sie bei jeder Baueingabe ausfüllen müssen, nicht die maximal mögliche Sendeleistung angeben, sondern einen Wert deklarieren, welcher den Betrieb noch knapp erlaubt.
Der Clou daran ist, dass dies vom BUWAL (Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft) in den Vollzugsempfehlungen zur NISV erst noch erlaubt wird. Hier wird zur Festlegung der Strahlungswerte an einem Ort empfindlicher Nutzung explizit von einer deklarierten Sendeleistung und nicht von der maximal möglichen Sendeleistung ausgegangen.
Diese Mogelei wird, oh Wunder, jetzt sogar dem sonst so mobilfunkfreundlichen Bundesgericht zu viel. Mit Urteil 1A.160/2004 vom 10.3.2005 wird dieser Regelung gnadenlos der Garaus gemacht.

Zitat Bundesgericht:
Die Sendeleistung der Mobilfunkstationen kann vom Netzbetreiber mittels
Fernsteuerung reguliert werden, allerdings nur bis zur Maximalleistung der
verwendeten Senderendstufen (vgl. BGE 128 II 378 E. 4.2 S. 380). Ist die im
Standortdatenblatt deklarierte ERP niedriger als die maximale
Strahlungsleistung der Anlage, so besteht keine Gewähr dafür, dass die
Grenzwerte im Betrieb tatsächlich eingehalten werden, da die
Strahlungsleistung jederzeit mittels Fernsteuerung erhöht werden könnte. Die
Anwohner von Mobilfunkanlagen haben jedoch ein schutzwürdiges Interesse
daran, dass die Einhaltung der NIS-Grenzwerte durch objektive und
überprüfbare bauliche Vorkehrungen gewährleistet wird.

Ab sofort dürfen die Mobilfunkbetreiber unter Sendeleistung in Watt ERP keine Phantasiezahlen mehr einsetzen, die den Betrieb einer kriminell angebrachten Antenne noch gerade ermöglicht hätte, sondern die Maximalleistung der verwendeten Senderendstufen multipliziert mit dem Antennengewinn.
Diese Maximalleistung ist in den meisten Fällen einige Zehnerfaktoren höher als die bisher jeweils in den Standortdatenblättern deklarierte Leistung.

Fazit:
Einsprecher gegen Mobilfunkantennen können ab sofort verlangen, dass Orte empfindlicher Nutzung mit der maximal möglichen und nicht mit der von den Betreibern selbst deklarierten Sendeleistung berechnet werden müssen. Damit können Einsprecher praktisch alle tolldreist platzierten Antennen verhindern.

Es geht gleich weiter:
Nicht nur die Sendeleistung ist fernsteuerbar, sondern auch noch der Winkel, mit welchem die Antenne leicht abwärts geneigt wird. Man spricht hier, im Gegensatz von einem fest verschraubten mechanischen Einstellwinkel, zusätzlich noch von einem fernsteuerbaren elektrischen Einstellwinkel. Der mechanische plus der elektrische Einstellwinkel ergeben dann zusammengerechnet den gesamten Neigungswinkel in Grad aus der Horizontalen.

Dieser gesamte Neigungswinkel kann an einem angestrahlten Ort empfindlicher Nutzung (OMEN) enorm viel ausmachen.

Sehen sie dazu nochmals genau das obige Strahlungsbild an. Ob eine Antenne -2? oder -12? abwärts gerichtet wird, kann in V/m (Volt pro Meter) gerechnet bis zu Faktor 5.5 ausmachen.
Wenn im Standortdatenblatt an OMEN xy in der Baueingabe 1.2V/m steht, kann das ohne Weiteres 6.6V/m und eine Grenzwertüberschreitung von 32% bedeuten.

Bisher war es den Betreibern freigestellt, beim elektrischen Neigungswinkel ebenfalls eine passende Phantasiezahl zu deklarieren, welche den Betrieb einer kriminell angebrachten Antenne noch gerade erlaubt hätte.

Standortdaten.JPG
Bild: Ausschnitt aus Standortdatenblatt, Zusatzblatt 2

Auch dieser Mogelei macht jetzt das Bundesgericht den Garaus.
Es geht ab sofort nicht mehr, wie in diesem Bild, elektrische Neigungswinkel von 0? oder ???2? wie in Kolonne 1 und 2 anzugeben.

In verschiedenen Instruktionen an kantonale Instanzen legt das Bundesgericht fest, dass hier neu mit dem vollen möglichen Winkel gerechnet werden muss, welcher der Antennenhersteller in seinen Datenblättern angibt und nicht mit dem vom Betreiber in der Bauausschreibung deklarierten Phantasiewert.
Auch hier wird die mobilfunkfreundliche Vollzugsempfehlung des BUWAL brutal über den Haufen geworfen.
Denn die fernsteuerbaren elektrischen Neigungswinkel betragen je nach Antennentyp bis 10? und mehr und das wirkt sich an einem OMEN mit einer höheren Strahlungsleistung bis Faktor 5.5 aus.

Auch hier möchte das Bundesgericht die Kontrolle der Berechnungen mit den Antennendiagrammen und den Datenblättern der Antennenhersteller den Vollzugsbehörden auf Stufe Gemeinde übertragen. Das kann heiter werden!

FAZIT:
Für Einsprecher gegen Mobilfunkantennen gilt ab sofort:
Sämtliche Standortdatenblätter als „falsch deklariert“ zurückweisen.
Gutachten durch Mobilfunk-unabhängige Fachstellen verlangen.
Kantonale Fachstellen haben in der Vergangenheit auf Geheiss ihrer politischen Vorgesetzten stets Partei für die Mobilfunkbetreiber ergriffen, haben alle oben beschriebenen Mogeleien munter mitgemacht und gedeckt und sind deshalb als befangen zu erklären.

Von Hans-U. Jakob

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