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„Bei Anruf Smog?“ Eine Nachlese

Bei Anruf Smog?

Eine Nachlese zur ARD-Sendung vom 7.8.2003 23.00

von Evi Gaigg, 7.8.03

Forschungsauftrag der WHO
Die WHO gibt Auftrag an 13 Länder, über den Zusammenhang von Hirntumoren und dem Telefonieren mit Handys zu forschen. Eine dieser Forschungsgruppen arbeitet in der Uniklinik Mainz unter der Leitung von Dr. Schüz. Er zeigt anhand eines Schädels das Eindringen der Handystrahlung in den Kopf und die möglichen Folgen.

Kongress in Frankfurt
An einem Kongress in Frankfurt werden die Ergebnisse von mehreren tausend Studien, die Dr. Peter Neitzke miteinander verglichen hatte, (ECOLOG-Studie) vorgestellt:

Neitzke: Es gibt Auswirkungen und sehr starke Hinweise auf die Schädigung von Erbmaterial, nachgewiesen in vielen Untersuchungen, ebenso starke Hinweise auf die Krebsentwicklung unter dem Einfluss elektromagnetischer Strahlung. Es passt alles zusammen und die Hinweise gehen alle in die gleiche Richtung.

Unser Kommentar: Bisher war es immer so, dass – auch bei noch keinem vorhandenen abschliessenden wissenschaftlichen Nachweis einer schädlichen Substanz oder Technologie – „starke Hinweise“ schon als Alarmstufe zum Handeln gegolten haben.

Bürger wehren sich
Bürger von Waiblingen (D) wehren sich mit Eingaben, Mahnwachen und Öffentlichkeitsarbeit gegen eine bestehende Vodafon-Antenne. Die Sprecherin der Gesellschaft sagt gegen Ende der Sendung, man nehme die Ängste ernst und versuche, die Menschen davon zu befreien. Die Entfernung der Antenne hingegen sei nicht geplant.

Weil sich die Waiblinger Bürger Sorgen um ihre Gesundheit, speziell die ihrer Kinder machen, rufen sie Dietrich Ruoff zur Messung und zur Installation von Abschirmmassnahmen zu Hilfe. Dessen Geschäft mit Abschirmstoffen, Tapeten und Farben geht gut und er versucht den Menschen ein einigermassen unbelastetes Leben zu ermöglichen. Besonders aber ist er für Messeinsätze und induviduelle Beratungen bereits auf zwei Monate hinaus ausgebucht. Man sieht mit Baldachin abgeschirmte Betten und Fliegengitter aus Metall an den Fenstern. Die Leuten leben also buchstäblich „hinter Gittern“ (Sprecherkommentar).

Unsere Frage:Wer bezahlt all diese Abschirmungen? Sicher nicht die Industrie, die ihre Technologie ja für unschädlich hält.

Forschungsprojekt REFLEX
Prof. Franz Adlkofer hat von der EU Geld für sein Forschungsprojekt REFLEX bekommen. Gemeinsam mit dem Zellforscher Prof. Rüdiger von der Uniklinik Wien, der am Anfang der Experimente glaubte, man werde wohl kaum was finden, führt er das Projekt durch. Beteiligt sind 12 Arbeitsgruppen. Menschliche Zellen werden bestrahlt bzw. nicht bestrahlt (nach dem Zufallsprinzip und ohne dass die Forscher Einfluss nehmen können) .
Resultat: Es zeigen sich Schäden am Erbgut durch Chromosomenbrüche. Die genotoxischen Effekte sind gemäss Prof. Rüdiger bei der Entstehung von Krebs das erste Ereignis in der Zelle.

Forschungsgemeinschaft Funk
Schauplatz Bonn, „Forschungsgemeinschaft Funk“: Dort forscht im Auftrag der Mobilfunkbetreiber Prof. Jiri Silny von der Uni Aachen. Seine Versuche an Personen beschränken sich auf die kurze Dauer eines Tages, jedoch nicht auf längerdauernde Einwirkungen, wie dies für Personen in der Nähe von Mobilfunkantennen zutrifft. Die einzige schädliche Wirkung gebe es nur für Träger von Herzschrittmachern, diese setzen aus.
Seine Folgerung: Mobilfunk ist nicht gefährlich. Wäre er gefährlich, so müssten die Patienten das spüren.
An einer Pressekonferenz sagt Silny, UMTS habe keine Effekte auf Nerven und Muskeln.

Dazu Dr. Gerd Friedrich von E-plus: „Es gibt keine Hinweise auf die Schädlichkeit. Unterhalb der Grenzwerte gibt es daher keine Schädigung.“ Die Industrie muss also die Oberhand gewinnen und die Sorgen zerstreuen.

Kommentar von Peter Neitzke zu Silnys Eintageversuchen:
„Etwas überspitzt ausgedrückt: Wenn man einen Versuch machen will, bei dem nichts heraus kommen darf, dann würde man ihn so anlegen, wie er von ihnen gemacht wurde.“

Wird Forschung instrumentalisiert?
Kommentar und Frage der Redaktion, gestellt vom Sprecher im Hintergrund:
Immer wieder taucht der Satz auf, man wolle die Sorgen der Bürger ernst nehmen und sie in Gesprächen ausräumen. Da muss die Frage gestellt werden: Kann das mit Studien, die wenig bis nichts aussagen, geschehen? Wird Forschung da nicht instrumentalisiert?
Silny, auf die Frage, ob ihn die Forschungsergebnisse stören: „Die Daten können unterschiedlich benutzt werden“ (was immer man unter dieser vieldeutigen oder besser nichtssagenden Antwort versteht)

Kontroverse Diskussion
Die Ergebnisse der 3 Jahre dauernden Studie REFLEX passen der Industrie selbstverständlich nicht ins Konzept und es entstehen auf einem späteren Kongress in Hawai, auf dem sich neben Kritikern auch zahlreiche Exponenten für die Industrie befinden, heftige Diskussionen, nachdem Prof. Adlkofer und Prof. Rüdiger die Ergebnisse REFLEX-Studie vorgestellt haben.
Kommentar von Prof. Jiri Silny: Schande!

An dieser Stelle muss klar gestellt werden, dass Silny im Solde der Betreibergesellschaften steht und niemals andere Ergebnisse bringen wird, als die, die man von ihm erwartet. Er ist ein ganz typisches Beispiel dafür, wie Forschung sich kaufen lässt. Silny ist in dieser Sendung ziemlich lange und ausführlich zu Wort gekommen. Aber gerade dadurch ist klar geworden, wessen Interessen er vertritt.

Ungleich lange Spiesse
Die Leiterin einer der grössten Initiativgruppen Deutschlands, Birgit Stöcker, selbst durch Elektrosensibilität betroffen, reist mit einem Mitstreiter ins Umweltministerium nach Bonn. Sie will erreichen, dass das, was als Elektrosensibilität anerkannt ist, ihr endlich schriftlich bestätigt wird. Sie wünscht einen Minderheitenstatus, damit dieser Minderheitenschutz eingeklagt werden kann.
Eugen Huthmacher vom Umweltministerium, Abt. Strahlenschutz, schickt die beiden Vertreter unverrichteter Dinge nach Hause.
Fazit: Man gibt ihnen den Ball zurück, in dem Sinne, sie selbst hätten dafür zu sorgen, dass geforscht und ein schlüssiges Ergebnis gefunden wird.

Der Umweltminister denkt ökonomisch, nicht ökologisch
Zum Schluss noch ein Interview mit dem grünen Bundes-Umweltminister Jürgen Trittin:
Es scheint ihm keinen Eindruck zu machen, dass Tausende von Initiativen in ganz Deutschland um die gleiche Sache kämpfen. Seiner Meinung nach ist der gegenwärtige Schutz ausreichend und durch die Grenzwerte erfüllt, eine Änderung sei derzeit nicht geplant, wie er mit einem etwas süffissanten Lächeln ausführt.
Auf die Frage, ob da die Wirtschaft nicht einen Deal mit der Politik gemacht hat: „Deal Politik – Wirtschaft? Versteigerung – Punkt!!

Diesen Eindruck gewann allerdings auch der Zuschauer, denn eingeblendet wurde das Bild von damals, als sich die Vertreter der Gesellschaften nach der Versteigerung der UMTS-Lizenzen mit Champagner zuprosteten.

Die Quintessenz und der Schlusssatz der Sendung:Die Politik muss über Vorsichtsmassnahmen nachdenken. Hoffentlich denkt sie nicht zu lange nach.

Unser Kommentar: Die Verhältnisse in Deutschland lassen sich 1:1 auf die Schweiz übertragen. Hier wie dort wurde der zweite Schritt vor dem ersten getan, ohne die Folgen zu bedenken. Hier wie dort stellt die Politik die Ohren auf Durchzug, setzt nur auf die momentan attraktive Karte Ökonomie und nicht auf jene der Volksgesundheit auf lange Sicht. Hier wie dort liegt das Risiko bei den Geschädigten und nicht bei den Schädigern. Und letztendlich lassen sich Wissenschafter hier wie dort kaufen. Die Lösung des Problems, das wurde in dieser Sendung deutlich, wurde erneut vertagt.

Von Hans-U. Jakob

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