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Träumende Ministerin

Die Fachleute der Verwaltung haben der Ministerin nicht gesagt, dass gar nicht möglich ist, was sie da lauthals fordert.

von André Masson
24.4.2016

Doris Leuthard, unsere Verkehrs- und Kommunikations-Ministerin, hat sich öffentlich geärgert über die schlechten Funk-Verbindungen in den Zügen. Sie kanzelte in einer Standpauke die Bahn und auch die Mobilfunkbetreiber ab – das müsse jetzt endlich ein Ende haben!

http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/sta … y/25019774

Werdet wie die Kinder! Fordert nur, was ihr wollt – jetzt und sofort wollen wir alles haben, was uns nützt. Die schlechten Verbindungen kommen ja nicht zustande wegen fehlender Antennen. Da sind noch so Kleinigkeiten wie „immer mehr Datendurchsatz“, zunehmendes Verkehrsvolumen, verheerende Tarifgestaltung (Flat Rate, es kostet ja nichts mehr, andauernd online zu bleiben), immer mehr und ausgefallenere Anwendungen, die sich dann selber aufdatieren müssen, usw.

BahnpassagiereKein Wort von alledem. Die Fachleute der Verwaltung haben der Ministerin nicht gesagt, dass gar nicht möglich ist, was sie lauthals fordert. Ein anderer hat das Problem sehr klar benannt: der frühere Swisscom-Chef Carsten Schloter. Er wird die Verhältnisse ja wohl überblicken können. Kurz vor seinem Tode hat er in einem zweiseitigen Interview mit Zahlen erklärt, was Sache ist: Man benötigte für einen gefüllten Schnellzug „eine Bandbreite von mindestens 1 GBit pro Sekunde. Die maximale Bandbreite, wie wir dank der 4. Mobilfunkgeneration LTE anbieten können, beträgt aber bloss 100 MBit pro Sekunde. Also zehnmal weniger. Würden wir nun entlang aller Bahnlinien das Netz auf LTE aufrüsten, würde das etwa drei Jahre dauern. Das Resultat wäre eine um den Faktor 2.5 höhere Geschwindigkeit als heute. Gleichzeitig wird aber der Datenverkehr im gleichen Zeitraum um den Faktor 30 zunehmen.“ Abdruck des Interviews mit Jon Mettler: Berner Zeitung, 19.3.2013, p. 12/13

Frau Leuthard – sehen Sie das Problem ? Das Problem sind die Nutzer, die völlig gedankenlos die Kanäle verstopfen. Genau die Nutzer haben Sie weggelassen – Sie hoffen nur auf den technischen Ausbau. Aber: weder der Autoverkehr noch der Datenverkehr können ewig und schrankenlos zunehmen: Das sollten Sie unterdessen erkannt haben. Kindliche Forderungen tönen zwar gut, erhöhen die Popularität und Ihren politischen Marktwert, aber mehr wirklich nicht. Carsten Schloter hat’s erkannt, glauben Sie ihm! Mit seinen eigenen Worten, Carsten Schloter: „Mit den aktuellen Technologien lässt sich das Problem nicht lösen. Es braucht einen komplett neuen Ansatz.“

Wenn Sie weniger verstopfte Leitungen wollen, so sorgen Sie bitte dafür, dass jede Datenübertragung und jede Sekunde Online wirklich etwas kostet. Das wirkt sofort – aber das hören die Viel-Spieler und Dauer-Töggeler und Facebook-Süchtigen dann gar nicht gern. Ein knappes Gut wird teurer, das wäre doch ganz normal ? Sie verlieren nur Zeit, wenn Sie sich nicht an die Realitäten halten! Und dass Elektro-Empfindliche nicht mehr Bahn fahren können – hat sich das in Ihrem Departement schon herumgesprochen ?

Von Hans-U. Jakob

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