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Mobilfunkforschung im Würgegriff von Industrie und Politik

Ein Vortrag von Prof. Dr. Franz Adlkofer
vom 1.10.2015 anläsaslich der 9. Offene Akademie, in Gelsenkirchen (D)
Publiziert bei Gigaherz.ch am 20.10.2015
mit freundlicher Erlaubnis des Autors


Die Hochfrequenzforschung befindet sich – wie im Titel bildhaft angekündigt – im Würgegriff von Industrie und Politik. Ihr Ziel ist die Aufrechterhaltung der geltenden Grenzwerte der Hochfrequenzstrahlung um nahezu jeden Preis. Wie wichtig Grenzwerte sind, zeigt die Entrüstung der Öffentlichkeit über die Tricksereien von VW bei der Messung der Abgaswerte von Dieselmotoren. Die Menschen mögen nicht, dass sie mit Phantasie­produkten betrogen werden. Dass dies auch der Fall ist mit den Grenzwerten der Hochfrequenzstrahlung, wissen sie nur noch nicht. Diese schützen nämlich nicht – wie behauptet – die Gesundheit der Menschen, sondern vor allem die Interessen der Mobilfunkindustrie.
Als Erstes werde ich diese Grenzwerte vor­stellen. Dann will ich berichten, warum diese Grenzwerte überhaupt eingeführt wurden, obwohl sie von Anfang an im Widerspruch zur Wissenschaft standen. Und zum Abschluss schildere ich, wie man mit Kritikern der Grenzwerte – wie ich einer bin – umgeht.

AdlkoferBild linlks: Prof. Dr. Franz Adlkofer

I Die Grenzwerte der Hochfrequenzstrahlung
Die gegenwärtigen Grenzwerte der Hochfrequenzstrahlung beruhen auf der Annahme, dass die Strahlen­energie im menschlichen Körper in Wärme umgewandelt wird und dass der Körper bei Einhaltung der Grenz­werte zuverlässig vor Überhitzung geschützt wird. Als gesundheitliche Wirkungsschwelle für den Ganzkörper wird eine Energieaufnahme von 4,0 W/kg Körpergewicht, spezifische Absorptionsrate (SAR) genannt, an­genommen. Innerhalb von 30 Minuten erhöht sich die Körpertemperatur bei dieser Belastung um ungefähr 1 Grad Celsius. Um auf der vermeintlich sicheren Seite zu sein, wird die Wirkungsschwelle von 4 W/kg für den Ganzkörper bei der Grenzwertfestlegung auf 0,08 W/kg Körpergewicht, also auf ein Fünfzigstel gesenkt. Wenn die Strahlung nur auf Teile des Körpers einwirkt, z.B. den Kopf bei der Handynutzung, darf die Energie­aufnahme 2 W/kg Körpergewicht, also die Hälfte der Wirkungsschwelle, nicht übersteigen.
Der SAR-Wert kann nur indirekt bestimmt werden. Dies geschieht mittels einer computergesteuerten Feld­sonde in einem Plastikmodell des menschlichen Kopfes, welches mit einer salzhaltigen Lösung gefüllt ist. Die Strahlung aus dem Fernfeld, die von Basisstationen ausgeht, kann dagegen direkt als elektrische Feldstärke, magnetische Feldstärke, magnetische Flussdichte oder Leistungsflussdichte gemessen werden. Diese Werte können in den SAR-Wert umgerechnet werden. Die in den beiden Tabellen angegebenen Grenzwerte stellen sicher, dass der SAR-Grenzwert auf keinen Fall überschritten wird. Das Problem der Grenzwerte besteht aller­dings darin, dass ihre Festlegung nach den Erfordernissen der Technik erfolgte und dass auf die Biologie, auf die es in Wirklichkeit ankommt, so gut wie keine Rücksicht genommen wurde. Doch dazu später!

Tabelle-Grenzwerte

II Die Grenzwerte stehen im Widerspruch zur Wissenschaft
Die Grenzwerte von heute verdanken ihre Existenz den militärischen Erfordernissen der USA in der Zeit des Kalten Krieges. Mit dem Sputnik in der Umlaufbahn der Erde hatte Russland im Oktober 1957 die USA in der Weltraumforschung überholt. Im Oktober 1961 standen sich in Berlin am Checkpoint Charlie amerikanische und russische Panzer weniger als 100 Meter voneinander entfernt direkt gegenüber. Im selben Monat wurde in Russland eine Wasserstoffbombe, die sogenannte Tsar-Bombe, gezündet mit einer Sprengkraft 4000 Mal stärker als die der Hiroshima-Bombe. In den USA ging die Angst um, von der UDSSR militärtechnisch über­rundet zu werden. Und ein Atomkrieg war nicht mehr auszuschließen.
Radar war im 2. Weltkrieg zur Überwachung des Schiffs- und Flugverkehrs sowie zur Zielverfolgung entwickelt worden und hatte schließlich wesentlich zum Sieg der Alliierten beigetragen. Nach dem Motto „Wrong or right, my country“ stand für die US-Militärs fest, dass in einer solchen Krisensituation die Militärtechnologie auf keinen Fall durch zu niedrige Grenzwerte der Hochfrequenzstrahlung behindert werden dürfe und dass statt­dessen Zugeständnisse an die Sicherheit des Personals gemacht werden müssten. Das ethische Problem, dass darin bestand, dass den Betroffenen, damals dem militärischen und technischen Personal, mit still­schweigender Einwilligung der US-Regierung nicht die Wahrheit gesagt wurde, verdrängten sie.

Eine entscheidende Rolle bei der Grenzwertfestlegung spielte Paul Herrmann Schwan ein deutscher Wissen­schaftler, der nach dem 2. Weltkrieg seine Forschung, die er am Kaiser-Wilhelm-Institut für Biophysik in Frankfurt begonnen hatte, in den USA fortsetzte. Er war es, der den US-Militärs ein schier unlösbares Problem löste, indem er so zu sagen ex cathedra feststellte, dass es außer der Wärmewirkung keine andere Wirkung der Hochfrequenzstrahlung gebe, weil eine solche Annahme  den Gesetzen der Physik widerspreche. Auf dieser Grundlage schlug er der US-Navy 1953 eine Leistungsflussdichte von 100 W/m2 als Grenzwert vor. Dieser Wert ermöglichte die volle Nutzung der Hochfrequenzstrahlung bei der Entwicklung und Anwendung der Waffen­systeme. Darüber hinaus ersparte er der US-Regierung Milliarden von Dollar an Entschädigungen für Soldaten und Industriearbeiter, die von der bereits damals bekannten „Strahlenkrankheit“ betroffen waren.
Aus Schwans „Lehrsatz“ wurde schließlich abgeleitet, dass die Suche nach Wirkungen unterhalb des Wertes von 100 W/m2 reine Geldverschwendung ist. Wissenschaftler, die behaupteten, über Beweise für die Existenz von Wirkungen darunter zu ver­fügen, wurden lächerlich gemacht und die Förderung ihrer Forschungsprojekte wurde eingestellt.

Die Zuverlässigkeit des Grenzwertes war bereits zur Zeit des Kalten Krieges eine Illusion
Zur Zeit der Grenzwertfestlegung begannen die Sowjets mit der Bestrahlung der amerikanischen Botschaft in Moskau mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern unter­schiedlicher Modulation, aber geringer Feld­stärke. Diese geschah von 1953 bis 1976. Um in Erfahrung zu bringen, was die Sowjets veranlasste, so zu handeln, organisierten die US-Streitkräfte ein aufwendiges, aber geheimes Forschungsprojekt mit dem Tarn­namen „Pandora“ (http://www.stiftung-pandora.eu/downloads/pandora-_-doku-_-adlkofer-vortrag-2014.pdf). Im Jahre 1976 teilte Henry Kissinger, damals US-Außenminister, der Botschaft in Moskau mit:
….Die Wirkungen, die die Sowjets beim Botschaftspersonal erreichen wollten, schlossen Unwohlsein, Reiz­barkeit und starke Müdigkeit mit ein. Die Sowjets glaubten, dass diese Wirkungen vorübergehend sein würden.  In der Zwischenzeit wurde jedoch  zweifelsfrei nachgewiesen, dass sie nicht vorübergehend sind. Definitiv stehen mit der Strahlung in Zusammenhang: A) Katarakte, B) Blutbildveränderungen, C) Maligne Tumoren, D) Kreislauf­probleme und E) Funktionsstörungen des Nervensystems. In den meisten Fällen treten diese Nach­wirkungen erst lange nach der Exposition auf – nämlich zehn oder mehr Jahre später…..“

Dr. Milton Zaret, Augenarzt im Dienste des US-Militärs und langjähriger Mitarbeiter im Pandora-Team, zählt zu den ersten Wissenschaftlern, die von der Existenz sogenannter nicht-thermischer Strahlenwirkungen, also Wirkungen unterhalb des Grenzwertes,  überzeugt waren. Er hatte in den späten fünfziger Jahren an die 1600 Soldaten von Luftwaffe, Marine und Heer untersucht und bei zahlreichen jungen Radartechnikern einen Grauen Star festgestellt, und dies nur auf einem Auge und zwar dem, mit dem sie die Radarantenne fokussiert hatten. Grauer Star auf beiden Augen kommt bekanntlich bei der Hälfte der Siebzig­jährigen, aber kaum bei Zwanzig- bis Dreißigjährigen und niemals nur auf einem Auge vor, es sei denn, dass dieses irgendwie von außen geschädigt wurde. Bei der Anhörung vor dem US-Senat 1973 äußerte sich Zaret bezüglich seiner Forschungs­ergebnisse wie folgt:
„…. Für die gesamte Bevölkerung unseres Landes besteht aufgrund der Exposition gegenüber dem Anteil nicht-ionisierender Strahlen des elektro­magnetischen Spektrums eine eindeutige, gegenwärtige und ständig zu­nehmende Gefahr. Diese kann gar nicht überschätzt werden, weil die meisten Schäden durch nicht-ionisierende Strahlung unbemerkt auf­treten, üblicher­weise erst nach einer Latenzperiode von Jahren entdeckt werden und, wenn dies dann der Fall ist, die Ursache selten erkannt wird.“
Zarets Vorstellung war für das Militär und die  Mikrowellenindustrie, die mit der Herstellung von Radargeräten und Mikrowellenöfen bereits viel Geld verdienten, nicht hinnehmbar. Die Zusammenarbeit mit ihm wurde abrupt beendet. Seine Integrität als Mensch und Wissenschaftler wurde massiv in Frage gestellt. Mit einer Publikation der US-Militärs wurde seine wissenschaftliche Arbeit als unseriös dargestellt (http://www.pandora-stiftung.eu/downloads/pandora_doku_der-fall-zaret-2012.pdf)

Nach Beendigung des Kalten Krieges verhinderte die Industrie die Anpassung der Grenzwerte an die Bedingungen des Lebens
Es waren ausschließlich wirtschaftliche Interessen, weshalb die von der Politik als Zukunftsindustrien an­gesehenen Elektro- und Elektronik-Konzerne nach dem weniger edlen Motto „Wrong or right, my company“ dafür sorgten, dass der unbewiesene  und inzwischen von Schwan selbst in Zweifel gezogene Lehrsatz von der ausschließlichen Wärmewirkung der Hochfrequenzstrahlung seine Gültigkeit behielt. Durchgesetzt wurde dies mit der Hilfe angeheuerter Wissenschaftler, die mögliche gesundheitliche Risiken der Hochfrequenzstrahlung grundsätzlich ausschlossen. Aufgrund ihrer ‚richtigen’ Meinung wurden sie zu „Experten“ ernannt, mit angesehenen akademischen Positionen versorgt und – so aufgewertet – in den nationalen und internationalen Beratungs- und Entscheidungsgremien der Politik untergebracht.

Mit dem EMF-Projekt der WHO fing es an
Im Jahre 1995 wurde der Biologe Dr. Michael Repacholi aus Australien, trotz gegensätzlicher eigener Forschungs­ergebnisse von der Harmlosigkeit elektromagnetischer Felder überzeugt, auf Betreiben der amerikanischen Industrie, allen voran von Motorola,  zum Leiter des EMF-Projekts bestellt. Bis 2007 belehrte er als eine Art EMF-Papst von der Kanzel der WHO aus die Völker der Welt, dass die geltenden Grenzwerte die Bevölkerung zuverlässig schützten und dass deshalb weitere Vorsorgemaßnahmen unnötig seien. Wie sich schließlich herausstellte, stammte die Hälfte seines Etats von der Industrie, obwohl die Statuten der WHO eine solche Finanzierung gar nicht zulassen. Nach Korruptionsvorwürfen schied Repacholi 2007 aus der WHO aus und wurde offizieller Berater eines amerikanischen Stromversorgers.

Die Internationale Kommission zum Schutze vor nicht-ionisierenden Strahlen (ICNIRP) schuf dafür die Voraussetzungen
Die Gründung der ICNIRP erfolgte 1992. Repacholi war ihr erster Vorsitzender. Nach seiner Ernennung zum Leiter des EMF-Projektes der WHO erwies sich dieses als ein Meilenstein bei der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Zunächst verschaffte er dem bis dahin bedeutungslosen privaten Verein kraft seiner Position als EMF-Papst die offizielle Anerkennung der WHO und der EU sowie einiger ihrer Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschlands. Die ICNIRP vertritt wie Repacholi die Meinung, dass die Mobilfunkstrahlung bei Einhaltung der Grenzwerte kein Gesundheitsrisiko darstellt. Die ICNIRP ist nicht reformierbar, da ihr Statut es verhindert, dass jemals ein mobilfunkkritischer Wissenschaftler als Mitglied aufgenommen wird. Darin heißt es schlicht und einfach: Der Verein kooptiert seine neuen Mitglieder. Er müsste meiner Meinung nach unverzüglich aufgelöst werden.

Für Deutschland zuständig ist die Strahlenschutzkommission (SSK)
Die SSK vermittelt die von der ICNIRP erstellten Grenzwerte an die Bundesregierung. Wie bei der ICNIRP ist sichergestellt, dass ihre Mitglieder die richtige Meinung haben. Die SSK hat sich im Verlauf der Jahre zu einer Organisation entwickelt, die den Begriff Strahlenschutz wörtlich nimmt. Sie schützt nicht die Menschen vor der Strahlung, sondern die Strahlung vor ihren Kritikern. Einen Tiefpunkt der Verantwortungslosigkeit erreichte die SSK in den Jahren 2009 bis 2012, als ihr Alexander Lerchl von der privaten Jacobs University in Bremen als Leiter des Ausschusses für nicht-ionisierende Strahlen als Mitglied angehörte. Unter seiner Mitwirkung mutierte die SSK, wie der Umweltmediziner Dr. Mutter es kürzlich formulierte, zur Hofberichterstatterin der Mobilfunkindustrie.

Das Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm (DMF) ist das Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen von WHO, ICNIRP und SSK
Das DMF wurde es von 2002 bis 2008 durchgeführt. Sein Ziel war es herauszufinden, ob hochfrequente elektro­magnetische Felder unterhalb der geltenden Grenzwerte nicht doch gesundheitsschädliche Auswirkungen haben können. Dafür wurden rund 17 Millionen Euro, je zur Hälfte von den Mobilfunknetzbetreibern und der Bundesregierung, zur Verfügung gestellt. Die SSK, ergänzt durch Repacholi von der WHO, war an der Auswahl der Forschungsthemen beteiligt und im Verlauf des Projektes für die Bewertung der Ergebnisse zuständig. Wie es aussieht, wurden die von den Netzbetreibern aufgebrachten Mittel verwendet, um zu verhindern, dass mit den von den Steuerzahlern aufgebrachten Mitteln Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit der Hoch­frequenzstrahlung  geweckt werden. Was bei dieser Konstellation zu erwarten war, trat ein. In den Schluss­folgerungen heißt es:
Die ursprünglichen Befürchtungen über gesundheitliche Risiken konnten nicht bestätigt werden. Es ergaben sich auch keine neuen Hinweise auf bisher noch nicht bedachte gesundheitliche Auswirkungen. Die den be­stehenden Grenzwerten zugrundeliegenden Schutzkonzepte werden nicht in Frage gestellt“.

Dies sind die  Hauptkritikpunkte am DMF:
1) Die für die Auswahl der Forschungsthemen und die Bewertung der Ergebnisse verantwortlichen Wissen­schaftler waren im Voraus davon überzeugt, dass die Hochfrequenzstrahlung der menschlichen Gesundheit nicht schadet.  Sie haben versucht, ihre Meinung mit Hilfe des DMF unter Beweis zu stellen.
2) Die wichtigsten Forschungsvorhaben wurden Alexander Lerchl an der privaten Jacobs Universität in Bremen anvertraut, der durch Planung der Forschungsvorhaben, Durchführung der Experimente und Auswertung der Ergebnisse dafür sorgte, dass das erwünschte Nullergebnis tatsächlich  zustande kam.
3) Das Forschungsziel des DMF wurde insgesamt verfehlt, da Langzeitwirkungen der Hochfrequenzstrahlung an Kindern und Erwachsenen, auf die es bei der Risikoabschätzung entscheidend ankommt, gar nicht erst unter­sucht wurden.

Das Edmond J. Safra Center for Ethics der Harvard Law School veröffentlichte vor kurzem eine Broschüre mit dem Titel „Gekaperte Agentur: Wie die Federal Communications Commission (FCC) von der Industrie dominiert wird, die es regulieren soll (http://ethics.harvard.edu/files/center-for-ethics/files/capturedagency_a lster.pdf).
Die FCC ist in den USA u. a. für die Grenzwerte zuständig. Auch das EMF-Projekt der WHO, die ICNIRP und die SSK sind von der Industrie gekaperte Agenturen. Im Jahre 2011 hatte ich Gelegenheit, diesem Center for Ethics meine Erfahrungen über den Umgang der Mobilfunkindustrie mit der unabhängigen Wissenschaft persönlich vorzutragen
http://www.stiftung-pandora.eu/downloads/pandora_doku_vortrag-harvard-erweitert-2012.pdf

Doch Unfälle gehören zum Alltag
Man muss nicht gerade Mitleid empfinden, wenn ein vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und den Netz­betreibern im Anschluss an das DMF finanziertes Forschungsvorheben Ergebnisse erbrachte, die genau das Gegenteil von dem zeigen, was das BfS nach Abschluss des DMF verkündete.
http://www.stiftung-pandora.eu/archiv/2015/stellungnahme-von-prof-adlkofer-zur-lerchl-studie.html
Im Jahre 2007 hatten Tillmann und Kollegen vom Fraunhofer Institut in Hannover bei einem Workshop in Berlin vorgetragen, dass die UMTS-Strahlung bei Mäusen, die mit dem chemischen Kanzerogen N-Äthylnitroso­harnstoff (ENU) vorbehandelt worden waren, weit unterhalb des Grenzwertes die Tumorrate in Leber und Lunge massiv erhöhte. Diese Ergebnisse, die trotz ihrer Bedeutung in Vergessenheit geraten waren, scheinen das BfS irgendwie beunruhigt zu haben. Jedenfalls beauftragte es Alexander Lerchl, den Garanten für die Un­bedenklichkeit der Mobilfunkstrahlung, mit der Wiederholung des Experiments. Diesmal musste sich Lerchl an die Versuchsvorgaben des Fraunhofer-Instituts halten, so dass es ihm unmöglich war, die Ergebnisse mittels abwegiger Versuchsplanung, manipulativer Eingriffe in den Versuchsablauf und willkürlicher Datenauswertung den Wünschen der Auftragsgeber anzupassen. Im Frühjahr des Jahres bestätigte Lerchl in vollem Umfang, was Tillmann und Kollegen herausgefunden hatten. Die Bedeutung der BfS-Studie besteht jedoch nicht darin, dass sie neue Erkenntnisse erbrachte, sondern ausschließlich in der Tatsache, dass die Ergebnisse von Alexander Lerchl stammen, dem bisher zuverlässigsten Garanten für die Unbedenklichkeit der Hochfrequenzstrahlung. Ob Industrie und Politik daraus die richtigen Konsequenzen ziehen, nämlich dass der Ausgang des Experiments dem bisherigen Grenzwert endgültig Todesstoß versetzt hat,  bleibt abzuwarten.

III   Über den Umgang von Mobilfunkindustrie und Politik mit der unabhängigen Wissenschaft
Die Methode der Industrie, zur Steuerung der öffentlichen Meinung die Auswirkungen unerwünschter wissen­schaftlicher Forschungsergebnisse zu minimieren, ist seit Jahrzehnten – von der Zigarettenindustrie per-fektioniert – immer dieselbe: Ignorieren der Ergebnisse, so lange wie möglich, kritisieren und anzweifeln der Ergebnisse, so heftig wie möglich, und, wenn dies nicht ausreicht, Ausschaltung der Autoren durch Ver­leumdung. Selbstverständlich sind es nicht die Entscheidungsträger in Industrie und Politik, die sich für dieses miese Geschäft die Hände schmutzig machen. Dieses verbietet schon der hohe ethische Standard, den sie für sich aufgrund ihrer gesellschaftlichen Position als selbstverständlich in Anspruch nehmen. Diese Arbeit über-lassen sie ihren offiziell und inoffiziell angeheuerten Experten aus der Wissenschaft, wobei sie natürlich vorgeben, von deren Niederträchtigkeiten nichts zu wissen.
Den Grund für die persönlichen Angriffe auf mich lieferte die europäische REFLEX-Studie, die ich von 2000 bis 2004 organisiert und koordiniert habe. Sie wurde mit ca. 2,0 Millionen Euro von der EU-Kommission finanziert und von 12 europäischen Arbeitsgruppen in 7 europäischen Ländern durchgeführt. Ihre Ergebnisse, die darauf hindeuten, dass nieder- und hochfrequente elektromagnetische Felder unterhalb des Grenzwertes in isolierten menschlichen Zellen Struktur und Funktion der Gene verändern können, sorgten von Anfang an für helle Auf­regung in Industrie und Politik. Die Abwehrmaßnahmen steigerten sich von Jahr zu Jahr und gipfelten schließ­lich in der Behauptung, dass die REFLEX-Ergebnisse gefälscht seien. Drei Verfahren vor Gericht stehen dafür beispielhaft:

1. Rechtsstreit mit dem Informationszentrum gegen Mobilfunk (IZgMF)
Das  IZgMF, ein – wie es aussieht – von der Industrie finanziertes Internetforum für Shit-Storm-Aktionen, war offensichtlich ausersehen, mich als Mensch und Wissenschaftler zu ruinieren. Alexander Lerchl trat offen­sichtlich speziell zu diesem Zweck dem IZgMF bei. Mitte 2008 nahm ein Trio der besonderen Art seine Arbeit auf. Lerchl, der Erfinder der Geschichte, dass ich als ehemaliger Leiter der Wissenschaftlichen Abteilung im Verband der Cigarettenindustrie (VdC) von der Zigarettenindustrie beauftragt worden sei, den Dreck vor der Tür der Zigarettenindustrie vor die Tür der Mobilfunkindustrie zu kehren. Als Lerchls Informationsbeschaffer über meine vermeintlich böse Vergangenheit ein Feigling namens Sektor3, der noch immer abstreitet, Ernst-Günther Krause, der Vize-Präsidenten der „Nichtraucherinitiative Deutschland“ (NID) zu sein. Und schließlich der IZgMF-Moderator Spatenpauli, ein Mephisto, der seine beiden Partner im Werfen von Schmutz zu Höchst­leistungen anspornte.
Irgendwann 2008 erschien im IZgMF ein an Erbärmlichkeit kaum überbietbarer Text, in dem ich mit dem inter­national bekannten und mit Gefängnis bestraften Fälscher Hwang, der sein Unwesen im Bereich der Stammzell­forschung trieb, verglichen wurde. Ich wurde dabei als der Schlimmere der beiden Übeltäter dar­gestellt. Zunächst sagte ich mir: Gegen Narren führt man keinen Krieg. Allmählich wurde mir jedoch bewusst, dass ich mir als Geschäftsführer der Stiftung Verum und als Vorsitzender der in Gründung befindlichen Stiftung Pandora diese Einstellung eigentlich nicht leisten kann. Wer soll eine Organisation mit Spenden unterstützen, deren maßgeblicher Vertreter es widerstandslos hinnimmt, öffentlich als Gauner dargestellt zu werden? Also reichte ich beim Landgericht Berlin Klage ein. In dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 29.06.2010 wurde dem IZgMF bei Strafandrohung untersagt, den perfiden Angriff auf mich zu wiederholen oder wiederholen zu lassen. Darüber hinaus wurde den Betreibern des IZgMF juristisch verklausuliert bestätigt, was sie sind: Menschen ohne Moral und ohne Ehrgefühl (http://www.mobilfunk-herrenberg.de/cms/files/KI_izgmf-urteil_2 010-08-22.pdf)

2. Rechtsstreit mit der Süddeutschen Zeitung (SZ)
Am 12.07.2011 erschien in der SZ der Artikel Daten zu Handygefahr unter Verdacht. Dieser wurde mehr oder weniger unverändert vom Berliner Tagesspiegel, der Zeit und dem Spiegel, übernommen. Auch dahinter steckte natürlich Alexander Lerchl, der die guten Beziehungen der Mobilfunkindustrie zur Presse für eine weitere Kampagne gegen die REFLEX-Ergebnisse nutzte. Mit dieser Aktion – wer zweifelt daran – der Mobilfunkindustrie erfuhren die Menschen in Deutschland wieder einmal, wie sehr von einzelnen skrupellosen Wichtigtuern versucht wird, die Mobilfunkstrahlung zu Unrecht als gesundheitsschädlich darzustellen.

Vordergründig ging es in dem Artikel um eine Doktorarbeit, deren Ergebnisse von Lerchl als gefälscht an­gesehen wurden, was allerdings nicht zutrifft. Gemeint war jedoch die REFLEX-Studie. Der Zusammenhang zwischen beiden wurde hergestellt, in dem wahrheitswidrig behauptet wurde, die Doktorarbeit sei Teil der REFLEX-Studie. In dem SZ-Artikel wird über die REFLEX-Studie wie folgt berichtet:
Die „Reflex-Studie“ hatte zum Ziel, zwischen Februar 2000 und Mai 2004 mögliche Schädigungen des Erbguts durch Handys zu erforschen. Zwölf Institute in ganz Europa beteiligten sich daran. Finanziert wurde das Projekt mit Mitteln der EU und auch der Stiftung für Verhalten und Umwelt, einer Ausgründung des „Verbands der Cigarettenindustrie“. Dieser Geldgeber stieß von Anfang an auf Kritik. Sein Interesse könne es sein, die Gefährlich­keit menschlicher Gewohnheiten zu dramatisieren, um von den Gefahren des Tabakrauchs ab­zulenken, hieß es schon zu Beginn der Studie.

Hier handelt es sich um ein Beispiel dafür, wie aus phantasievoll verknüpften Behauptungen handfeste Ver­leumdungen entstehen können, die Unbeteiligten durchaus glaubhaft erscheinen. Ich war mir bewusst, dass ich gegen diese emotionale Stimmungsmache, insbesondere die hinterhältige Verschwörungstheorie, die Zigaretten­industrie hätte Einfluss auf die REFLEX-Studie genommen – wie es aussieht, ebenfalls Lerchls Erfindung – nicht würde ausrichten können. Denn Verleumdungen, die als Meinungsäußerung verstanden werden können, mögen sie noch infam sein, dürfen in Deutschland straflos verbreitet werden. Gerichtliche Hilfe kann nur in Anspruch genommen werden, wenn es um eine Tatsachenbehauptung geht. Und die SZ und Lerchl waren unvorsichtig genug, sich eine unwahre Tatsachenbehauptung zu Schulden kommen zu lassen. In dem Artikel heißt es weiter:
Es dauerte nicht lange, bis das Reflex-Projekt beunruhigende Ergebnisse zur Handynutzung präsentierte, die über das bis dahin in Fachkreisen für möglich Gehaltene weit hinausgingen. Demnach schädige die Handy­strahlung das Erbgut von Zellen schon weit unterhalb der geltenden Grenzwerte. Die Ergebnisse konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden.

Der letzte SatzDie Ergebnisse konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden“ war eine solche unwahre Tatsachenbehauptung. Sie widersprach eindeutig dem Stand der Forschung. Nachdem der Versuch einer gütlichen Einigung am Hochmut der SZ gescheitert war, reichte ich am 23.04.2012 beim Land­gericht Hamburg Klage gegen die SZ Klage auf Unterlassung ein. Am 18.01.2013 verurteilte das Landgericht Hamburg die SZ,
es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes (…) zu unterlassen zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder ver­breiten zu lassen: „Die Ergebnisse (sc. Der REFLEX-Studie) konnten so allerdings nie von anderen Labors re­produziert worden.“
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die SZ hat nämlich am 20.02.2013 Berufung eingelegt. Ein Termin für die Berufungsverhandlung steht immer noch aus. Der Verdacht, dass das Problem gelöst werden soll, indem man geduldig auf mein Ende wartet – ich bin in wenigen Wochen 80 Jahre alt – ist nicht ganz von der Hand zu weisen. (http://www.stiftung-pandora.eu/archiv/2013/landgericht-hamburg-bestaetigt-reflex-ergebnisse.html)

3. Rechtsstreit mit Alexander Lerchl
Drei Jahre nach Abschluss der REFLEX-Studie erfand Lerchl die Geschichte, dass deren Ergebnisse gefälscht seien. Er wollte damit verhindern, dass das Folgeprojekt der REFLEX-Studie, das bei der Begutachtung in Brüssel eine hohe Wertung erhalten hatte und deshalb zur Förderung vorgeschlagen worden war, von der EU ebenfalls finanziert wird. Darüber hinaus wollte er erreichen, dass die REFLEX-Publikationen aus der wissenschaftlichen Literatur zurückgezogen werden. Erfolg hatte er beim Verhindern des REFLEX-Nachfolgeprojektes, gescheitert ist er aber mit seiner Forderung auf Rücknahme der REFLEX-Publikationen. Seine Fälschungsmeldung wurde – wer zweifelt daran, auf Veranlassung der Mobilfunkindustrie – von der nationalen und internationalen Presse sofort übernommen und weltweit verbreitet. Den Vogel schoss der Spiegel mit der Überschrift eines zu­sammen mit Lerchl verfassten Artikels Beim Tricksen ertappt ab:
Zwei aufsehenerregende Studien über die Gefahren der Handystrahlen sind offenbar das Werk einer Schwindlerin – was wussten die leitenden Professoren?
…  Es war einer der gruseligsten Befunde über die Gefahren des Mobilfunks. Handystrahlen, so hieß es, zer­brächen die zarten Fädchen des Erbguts in den Zellen. Mögliche Folge: Krebs.
…  Auf Lerchls Insistieren hin wurde die Wiener Universität tätig. Nun harrt noch die unrühmliche Rolle der Professoren Adlkofer und Rüdiger einer Klärung. ‚Das werden wir als Nächstes untersuchen‘, sagt Wolfgang Schütz, der Rektor der Universität.

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass dieser Bericht nicht genügte, um der REFLEX-Studie den Garaus zu machen, legte der Spiegel nach. In einen neuen auf Lerchl zurückgehenden Artikel mit dem Titel Die Favoritin des Professors wurde Professor Rüdiger, der Vorgesetzte der angeblichen Fälscherin, als eine Art Professor Unrat aus dem Blauen Engel vorgestellt, der den Reizen seiner Mitarbeiterin so sehr verfallen war, dass er ihren Betrügereien gegenüber blind blieb. Als Lerchls wohl letzter Sturmlauf gegen die REFLEX-Studie erschien 2014 unter dem Titel Was tun bei Fälschung? Ein Plädoyer für die Schaffung eines German Office of Research Integrity  ein Editorial im Laborjournal. Darin  heißt es:
Uli Hoeneß sitzt seit Juni 2014 ein, Elisabeth Kratochvil nicht. Ersterer verbüßt eine Gefängnisstrafe, weil er in erheblichem Umfang Steuern hinterzogen hat. Das ist verboten und mit Strafe bedroht. Warum? Weil er durch das absichtliche Hinterziehen von Steuern die Gemeinschaft aller Menschen des Staates Bundes-republik Deutschland betrogen hat. Und Kratochvil (geb. Diem)? Die Laborantin aus Wien erfand jahrelang Daten für etwa zehn Publikationen. Darin ging es um vermeintliche DNA-Strangbrüche, verursacht durch niederfrequente magnetische und hochfrequente elektromagnetische Felder, wie sie etwa Haushaltsgeräte, Stromleitungen und Mobiltelefone aussenden. Die angeblichen Effekte traten bereits bei Intensitäten deutlich unterhalb der be­stehenden Grenzwerte auf. Ein Horrorszenario, wenn solche Schäden tatsächlich aufträten.

Frau Kratochvil, eine Technische Assistentin im Labor von Professor Rüdiger an der MUW, wurde von Lerchl von Anfang an verdächtigt, mit oder ohne Wissen ihrer Vorgesetzten die REFLEX-Daten gefälscht zu haben. Als Folge der Kampagne musste sie ihren Beruf als Technische Assistentin aufgeben, fand in Österreich keine ihren Fähigkeiten entsprechende Anstellung mehr und leidet seit Beginn der Affäre unter massiven gesundheitlichen Problemen.
Nach diesem letzten und massivsten Angriff bot ich als ehemaliger Koordinator der REFLEX-Studie Frau Kratochvil, von deren Unschuld ich überzeugt war, meine Unterstützung sowie die Kostenübernahme durch die Stiftung Pandora an, wenn sie beabsichtigte, wegen dieser groben Ehrabschneidung gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Am 19. 08.2014 reichte sie beim Landgericht Hamburg Klage gegen Professor Alexander und das Laborjournal wegen Ehrverletzung ein. Am 13.03. 2015 verurteilte das Landgericht Lerchl und das Laborjournal rechtskräftig, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung fest­zusetzenden Ordnungsgeldes zu unterlassen, die vielfachen Ehrverletzungen im Editorial zu wiederholen oder anderswo wiederholen zu lassen.

Schlussfolgerung
Ich habe versucht, mit meiner persönlichen Geschichte, die innerhalb der Geschichte der Erforschung elektro­magnetischer Felder nur eine kleine Episode darstellt, aufzuzeigen, wie weit Mobilfunkindustrie und Politik mit ihren offen und verdeckt angeheuerten Helfern im Falle der REFLEX-Studie gegangen sind, um ihre Interessen durchzusetzen. Doch der Skandal, der in der Verunglimpfung der REFLEX-Studie und ihrer Autoren besteht, wird bei Licht betrachtet durch einen weit größeren in den Schatten gestellt. Dieser besteht darin, dass die Bundesregierung Professor Alexander Lerchl – wer zweifelt daran – auf Vorschlag der Mobilfunkindustrie vier Jahre lang mit dem Schutz der Bevölkerung Deutschlands vor nicht-ionisierenden Strahlung betraut hat. Da die Politik ihrer Verantwortung der Bevölkerung gegenüber – was immer die Gründe dafür sind – offensichtlich nicht gerecht wird, erscheint mir Lerchls wiederholtes Plädoyer für ein German Office of Research Integrity durchaus bedenkenswert. Vielleicht könnte so verhindert werden, dass ein Mensch seines charakterlichen Zuschnitts jemals wieder Einfluss auf gesundheitspolitische Entscheidungen von der Tragweite nimmt, wie sie z.B. dem Umgang mit der Hochfrequenzstrahlung zukommt.

Ende des Vortrags von Prof Dr. Adlkofer

Hinweise auf ähnliche Themen bei Gigaherz.ch.

Zum Schweizer Grenzwertschwindel:
https://www.gigaherz.ch/wp-content/uploads/2015/04/Der-Schweizer-Grenzwertschwindel-Neuauflage.pdf

Zur ICNIRP:
https://www.gigaherz.ch/icnirp-das-neue-spiel-beginnt-im-september/

Zu Lerchl und dem IZgMF:
https://www.gigaherz.ch/der-perfekte-bumerang/

Zur Rechtsverweigerung der Schweizer Medien:
https://www.gigaherz.ch/rechtsverweigerung-bei-srf1-und-schweizer-familie/

Von Hans-U. Jakob

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