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Frauen-Power im Wallis


Zur 380kV-Höchstspannungsleitung Chamosson-Chippis

Grone-1Die Sprecherin von „Protegons nos Enfants“, die ehemalige Onkologie-Krankenschwester Nadine brachte es in der TV-Sendung Schweiz-Aktuell vom 17. September auf den Punkt: Was sage ich dann zu meinem Kind, das in vielleicht 10 Jahren schwer krank wird: „Ja, wir haben es gewusst und einfach die Augen zugemacht? Das stimmt so für mich nicht!“
Der nächste Hochspannungsmast käme im Wald, im Bildhintergrund rechts zu stehen. Das graue Gebäde gehört zur Schulanlage.
Siehe http://www.srf.ch/sendungen/schweiz-aktuell vom 17. September Minute 11 bis 36

von Hans-U. Jakob
Schwarzenburg, 19. September 2014

In Grône im Unterwallis soll die neue 380‘000Volt-Höchstspannungsleitung von Chamosson nach Chippis in unmittelbarer Nähe der Schulanlage vorbeiführen. Die äussersten Stromleiter sollten auf nur 30m über Grund und in einer waagrechten Entfernung von 95m zur Schule zu liegen kommen. Weil das Ganze am Hang liegt beträgt die effektive Höhendifferenz dann 70m.
Eine respektable Distanz könnte man meinen, wenn man die Stromstärken in Ampère ausser Acht lassen würde, die schlussendlich für die Stärke und Ausdehnung des Magnetfeldes verantwortlich sind und nicht etwa die Spannung in Volt oder Kilovolt.
Swissgrid, die verantwortliche Netzgesellschaft, gab in ihrem ursprünglichen Projekt diese Stromstärken mit 2200Ampère an. Was in der Schule Grône wegen der Höhendifferenz eine Magnetfeldstärke von „nur“ gerade 0.1-0.15Mikrotesla oder 100bis 150Nanotesla ergeben hätte.

Nun kommt Swissgrid plötzlich mit einer „kleinen“ Projektänderung daher.
Man müsse, schreibt Swissgrid, die Anzahl der Seile pro Phase von 3 auf 4 und den Seilquerschnitt von 550mm2 auf 650mm2 erhöhen, damit die Leitung weniger Lärm produzieren würde.

Das kam einigen jungen Müttern, die dort ihre Kinder zur Schule schicken müssen, reichlich spanisch vor und sie wandten sich an die NIS-Fachstelle von Gigaherz.ch. Hier wurde Ihnen ihr Verdacht bestätigt, dass mit der vorgeschobenen Minderung des Koronageräusches eigentlich die Verdoppelung der Transportkapazität der Leitung gemeint ist. Nämlich die Erhöhung des Stromes von den einst deklararierten 2200Ampère pro Phase auf 4300Ampère. Und dass dadurch nicht nur die Verdoppelung des Stromes möglich wird, sondern dass sich das Magnetfeld distanzmässig auch noch gleich verdoppelt, so dass jetzt die 0.4-Mikrotesla-Isolinie diagonal quer durch die Schulanlage verläuft, was jetzt neu, laut verschiedensten übereinstimmenden wissenschaftlichen Arbeiten(1), mindestens das 2-Fache Leukämierisiko für Kinder bedeutet

Das Bundes-Verwaltungsgericht gab den mutigen Frauen vorderhand recht und erliess einen vorläufigen Baustopp.
Sie gründeten weiter die Bürgerbewegung „Protegons nos enfants“ (Schützen wir unsere Kinder) und unter dem Titel „Il n’est past trop tard“ (es ist noch nicht zu spät) starteten sie eine Petition, welche die Verschiebung der Leitung oder eine Erdverlegung verlangte. Innert kurzer Zeit kamen 5000Unterschriften zusammen.

Das Bundes-Verwaltungsgericht verlangte bis Ende August klare Grundlagen für das Begehren der Bürgerbewegung, welche die Forderung nach einer Neuaflage des Projekts mit neuen Einsprachefristen enthielt. Einem Begehren, welchem sich unterdessen auch die Gemeinde angeschlossen hatte.
Diese Grundlagen wurden von der NIS-Fachstelle Gigaherz fristgerecht dem Anwalt der Beschwerdeführenden, Jacques-Philippoz, übermittelt, welcher sie dann in den erforderlichen-Juristen-Jargon einpasste.

Vergleiche vom ursprünglichen  Projekt zur heutigen Variante:
Die 3er-Verseilung mit 550mm2 soll auf eine 4er-Verseilung mit 650mm2 erhöht werden.
Dadurch steigt die Gesamtlänge der Seile um 162km von 486km auf 648km.
Das Gesamtgewicht der Seile steigt um 287.64 Tonnen von 882.65Tonnen auf 1‘170.29Tonnen.
Der Gesamtpreis der Seile steigt um € 1‘528.‘632 von € 3‘153‘168 auf € 4‘681‘800, zuzüglich Verstärkung der Masten und Fundamente.
Deklariert im Projekt wird ein Grenzstrom von nur 2230Amp.
Neu möglich wäre ein Grenzstrom von 4316Amp. Das ist 1.94mal mehr.
Durch den 1.94mal höheren Strom verdoppelt sich die Ausdehnung des Magnetfeldes.
Das Projekt muss demnach neu aufgelegt werden mit einem neuen Untersuchungsperimeter.

Der wahre Grund für die Verdoppelung der Transportkapazität dürfte hier zu suchen sein:
Die Leitung Chippis-Wimmis-Bickigen-Mühleberg (Gemmileitung) wurde für die Versorgung des Mittellandes mit Strom aus den Walliser Kraftwerken in das Netz strategisch unverzichtbarer Leitungen aufgenommen. Jede strategisch unverzichtbare Leitung, besonders wenn diese durch eine Hochgebirgslandschaft führt, benötigt eine Ausweichroute. Das heisst, die n-1 Sicherheit muss gewährleistet sein.
Im Falle eines Unterbruchs der Gemmileitung, sei es durch Blitzschlag, Steinschlag, Erdrutsch, Lawinen, Mastbruch oder Seilriss durch Eisbehang, müssen die Leitungen über den Sanetschpass und den Col des Mosses, als Ersatz dienen. In diesem Fall muss die Leitung von Chippis nach Chamosson den doppelten Strom von dem übernehmen können, was diese normalerweise nach Westen abführt.
Weiter kommt hinzu, dass die Walliser Pump-Speicherwerke infolge des massiv gesunkenen Strom-Grosshandelspreises nicht mehr rentabel arbeiten und je länger je mehr auf billigsten Solar-, Wind-, Kohle- oder Atomstrom aus dem Norden angewiesen sind und die Leitung von Chippis nach Chamosson auch den doppelten Strom führen müsste oder etwa gar im gegenläufigen Betrieb arbeiten könnte, was wiederum zu einer Verdoppelung des Magnetfeldes führen wird.

Die Petition zeigte Wirkung, wenn auch nicht die erhoffte:
Die Vorsteherin des Departementes Umwelt-Verkehr- und Eneregie, Frau Bundesrätin Doris Leuthard beauftragte ausgerechnet die Netzgesellschaft Swissgrid damit, im Wallis die Bevölkerung darüber aufzuklären, dass die Leitung für die Kinder der Schule Grône absolut unbedenklich sei.
Nun, die Orientierung hat am 17.September stattgefunden. Jedoch nicht durch die Experten von Swissgrid, sondern durch solche, welche von der Bewegung „Protegons nos enfants“ ausgesucht worden sind.

Die Sprecherin von „Protegons nos Enfants“, die ehemalige Onkologie Krankenschwester Nadine brachte es in der TV-Sendung Schweiz-Aktuell vom 17. September auf den Punkt:
Was sage ich dann zu meinem Kind, das in vielleicht 10Jahren schwer Krank wird: „Ja, wir haben es gewusst und einfach die Augen zugemacht? Das stimmt so für mich nicht!“

Für den Direktor des Bundesamtes für Umwelt, Bruno Oberle, sieht das ganz anders aus. Da der Zusammenhang zwischen Kinderleukämie und Hochspannungsleitung nicht bewiesen sei, sei das kein Problem grössern Ausmasses.
Bei anderer Gelegenheit hatte er auch schon verlauten lassen, die 1 bis 2 Kinder-Leukämiefälle pro Jahr, die eventuell auf Hochspannungsleitungen zurückgeführt werden könnten, seien kein Problem grösseren Ausmasses. https://www.gigaherz.ch/falsche-toene-aus-dem-buwal/
Hans-U. Jakob dazu: Das schwierigste Telefongespräch, das ich je führen musste, war mit dem Vater einer 14-jährigen Tochter, welche man ihm soeben zum Sterben vom Spital nach Hause zurückgebracht hatte. Unmittelbar neben eine Hochspannungsleitung. Was sollte ich dem jetzt sagen Herr Oberle, kein Problem grösseren Ausmasses? Oder was?

(1) Hochspannungsleitungen und Krebs
Es ist müssig, über eine 1µT-Grenze oder irgendwelche Placebo oder Nocebo-Effekte zu diskutieren, wenn die IARC (Internationale Krebskommission der WHO) in ihrem Band 80 nach der Konferenz von Lyon (FR), welche im Jahr 2002 stattfand, bei niederfrequenten Magnetfeldern von „möglicherweise Krebserregend“ bereits bei 0.3-0.4 µT spricht.
Siehe IARC MONOGRAPHS ON THE EVALUATION OF CARCINOGENIC RISKS TO HUMANS; Volume 80 (Lyon 2001) 430 Seiten Englisch.

Von Hans-U. Jakob

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