News

Das Konzept zum EMF-Monitoring. Ein schlechter Silvesterscherz des Bundesrates?

An seiner letzten diesjährigen ordentlichen Sitzung vom 18.Dezember verabschiedete der Bundesrat noch rasch ein Konzept für das Monitoring elektromagnetischer Felder.

Von Hans-U. Jakob
Schwarzenburg 28.12.2015

Das wäre an und für sich eine gute Nachricht, aber die weitaus bessere ist, dass die Finanzierung weder geregelt noch gesichert ist und dass die dafür erforderlichen 7 Millionen  mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Sparwut der eidgenössischen Räte zum Opfer fallen werden. Und das ist gut so.

Denn dieses Konzept weicht in allen Teilen weit vom ursprünglichen Auftrag ab, welcher der Bundesrat in Form des Postulates von Nationalrätin Yvonne Gilli (Grüne) und 67 mitunterzeichnenden Parlamentariern am 2. August 2009 gefasst hat.
Bereits die Dauer von über 6 Jahren vom Auftragseingang bis zum Vorliegen eines Konzeptes mit Kostenschätzung und die darin nochmals veranschlagte Dauer von 5 Jahren bis zum Funktionieren des Monitorings, also insgesamt 11Jahre, ist ein Witz. In dieser Zeit konnten und können die Mobilfunkbetreiber weiterhin völlig ungestört ihren Antennenwald auf Teufel komm raus aufforsten und wuchern lassen.

Statistik MF-Antennen
Bild 1: Eine Grafik des Bundesamtes für Statistik zeigt das Ansteigen der Standorte von Mobilfunkantennen in der Schweiz von 3000 auf 17‘000 in den Jahren 1999-2014

Bis im Jahr 2021, also dann, wenn das Monitoring frühestens greifen könnte, werden wir, wenn das so weitergeht wie im Bild 1, in der Schweiz voraussichtlich 22‘000 Mobilfunkantennen-Standorte haben.

Der ursprüngliche Auftrag von Dr. med. Yvonne Gilli an den Bundesrat, die Expositionssituation der Bevölkerung betreffend nichtionisierender Strahlung in Form eines Langzeitmonitorings dauerhaft zu überwachen, um die Bevölkerung vor allfälligen langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen zu bewahren, wurde kurzerhand in eine Mogelpackung an Beruhigungspillen für die Bevölkerung umgewandelt.

Wörtlich heisst es auf Seite 4 des vom Bundesrat verabschiedeten Konzepts:
Etwas mehr als die Hälfte der Schweizer Bevölkerung schätzt die Strahlung von Mobilfunkantennen als gefährlich oder eher gefährlich ein. Wie hoch die Immissionen durch NIS im heutigen Lebensumfeld tatsächlich sind, ist hingegen den wenigsten Bürgerinnen und Bürgern bekannt. Dies dürfte ein Grund für das latente Unbehagen weiter Teile der Zivilgesellschaft gegenüber Anlagen für die Stromübertragung und die Mobilkommunikation sein. Erstes Ziel eines NIS-Monitorings ist deshalb, der Bevölkerung auf der Basis von objektiv erhobenen Daten über ihre Exposition durch NIS eine rationale Auseinandersetzung mit der Thematk zu ermöglichen und diese zu fördern.

Ursprünglicher Auftrag wird ins Gegenteil verdreht
Etwas mehr als die Hälfte der Schweizer Bevölkerung wird vom Bundesrat als zu dumm eingestuft, um die Gefahr nichtionisierender Strahlung, ausgehend von Mobilfunksendern und Hochspannungsleitungen richtig einzuschätzen zu können. Deshalb muss diese Hälfte jetzt mit „objektiv“ erhobenen Daten über ihre Exposition so aufgeklärt werden, dass alles gar nicht so schlimm und schon gar nicht etwa noch gefährlich sei.
Statistik-2011Bild 2: Eine weitere Grafik des Bundesamt für Statistik zeigt auf, dass 52% der Schweizerinnen und Schweizer Mobilfunksender für Mensch und Umwelt als gefährlich oder eher gefährlich einschätzen

Ausdünnung ist angesagt
Um die Strahlungsintensitäten möglichst auszudünnen und zu verharmlosen sollen laut dem verabschiedeten Konzept, Seite 4 unten, nicht etwa Immissionsdaten für einzelne Orte oder Personen, sondern solche die für die Bevölkerung oder für Untergruppen insgesamt repräsentativ sind, erhoben werden. Und das Monitoring bei einzelnen Anlagen sowie die Einhaltung, respektive Verletzung rechtlicher Vorschriften stünden nicht etwa im Vordergrund.

Und so soll die Ausdünnung erfolgen:
Die hohen bis sehr hohen Belastungen einzelner Anwohner von Mobilkfunkantennen und Hochspannungsleitungen dürfen nicht interessieren, sondern lediglich die Durchschnittswerte der Gesamtbevölkerung. Wenn es hoch kommt vielleicht noch gerade einer ganzen Wohnzone als Untergruppe. Diese sich immer wiederholenden Ausdünnungsstrategien sind doch seit den Untersuchungen beim ehemaligen Kurzwellensender Schwarzenburg vor 20 Jahren bestens bekannt und dürften kaum noch verfangen.

Einstein_mogelt-3
Bild 3: Zeigt die Verstrahlung eines Wohnquartiers in unmittelbarer Nähe einer Mobilfunkantenne in V/m (Volt pro Meter) bei einem Grenzwert von 6V/m (ab 1800MHz und höher). Nicht diese relativ kleine Gruppe von Menschen soll laut Konzept des Bundesrates repräsentativ sein, sondern ein Durchschnittswert der gesamten Wohnzone im Umkreis bis zu mehreren Kilometern, mit Strahlungswerten von 0.5 bis auf 0.005V/m hinunter.
Quelle: Eines von 250 Standortdatenblättern der letzten 5 Jahre, welche der NIS-Fachstelle von Gigaherz.ch vorliegen und durchwegs alle auf 99% Ausschöpfung des erlaubten Grenzwertes ausgelegt worden sind.

Für die weitere Ausdünnung sind verschiedene weitere Taktiken vorgesehen.

Sowohl für personenbezogene Messungen wie für Messungen im freien Raum, sowohl für Innen wie Aussenraummessungen, sollen wiederum Personendosimeter verwendet werden. Wie falsch diese messen hat Gigaherz.ch in folgenden Beiträgen eindrücklich dokumentiert.
https://www.gigaherz.ch/erneute-fehlmessungen-der-uni-basel/
und
https://www.gigaherz.ch/so-falsch-messen-dosimeter-die-bilder/

Auf der falschen Körperseite, das heisst auf der dem Sender abgewandten Seite getragen, liefert das Dosimeter infolge Abschirmung durch den menschlichen Körper selbst, um Hunderterfaktoren zu tiefe Werte. Und beim Gang durch die Strassen, anstatt durch den Besuch im 4. Oder 5. Stockwerk eines Hauses, kommen nochmals um Zehnerfaktoren zu tiefe Werte hinzu.
Dieses Vorgehen ist nicht strafbar. Denn Mobilfunkstrahlung mit dem falschen Gerät am falschen Ort messen, ist weder wissenschaftliches Fehlverhalten, noch wissenschaftlicher Betrug, sondern ganz einfach wissenschaftliche Freiheit, sagt der Integritätsbeauftragte der Universität Basel. Der Wissenschaftler müsse nur angeben, mit welchem Gerät er wo gemessen habe. Wer die Unglaubwürdigkeit der Messresultate nicht bemerkt, ist selber schuld.
https://www.gigaherz.ch/wissenschaftliche-freiheitnarrenfreiheit/

Auch bei ortsfesten Messungen gilt: Mit dem richtigen Gerät am richtigen Ort operieren.
Wie diesem Grundsatz nicht nachgelebt wurde, zeigten sehr schön die Messungen anlässlich der TV-Sendung Einstein von Donnerstag, den 27.2.2014
https://www.gigaherz.ch/einstein-mogelt/
Die Einstein Moderatoren bedienten sich immerhin eines richtigen Messgerätes, welches UMTS- und LTE-Strahlung Code-selektiv erfassen kann, liessen sich dann aber von speziell auserwählten Sachverständigen prompt an die falschen Messorte führen.

Immissions-Berechnungen statt Messungen könnten durchaus sinnvoll sein, falls die notwendigen Daten über Topographie und Hindernisse in Form und vor allem in der Höhe der Gebäude, die zwischen der Strahlungsquelle und den zu berechnenden Objekten liegen, bekannt sind.
In der Praxis liegen diese Daten jedoch nicht vor. Vergleiche mit Seite 13 des verabschiedeten Konzepts.
Trotzdem soll beim vorgesehenen Monitoring, offensichtlich zur weiteren Verharmlosung, wiederum auf ein völlig falsches Verfahren abgestellt werden. Nämlich auf ein Verfahren in welchem auf Karten abgestellt wird, welche die Immissionen in verschiedenen Farben so darstellen, als würde dort 1.5m über Boden in einer hindernisfreien Ebene gemessen.
Das ist kompletter Unfug. Nach dieser Methode würden 90% des Gebietes der Stadt Basel nur mit 0.05 bis 0.5V/m bestrahlt.
Die tausenden von Wohnungen im 5. Oder 6. Stock die oft nur 1% unter dem Grenzwert von 5V/m zu liegen kommen, versinken auf diese Weise einfach im allgemeinen ausgedünnten Durchschnittswert.
Jede/r der oder die sich mit praktischen Immissionsmessungen schon einmal befasst hat, kennt die allgemeine Faustregel, dass
sich die Strahlungsintensität pro Stockwerk Höhenzunahme jeweils verdoppelt. So im Muster 0.15-0.3-0.6-1.2-2.4-4.8V/m. Hier für die Zunahme vom Erdgeschoss bis ins 5- Obergeschoss dargestellt. Vergleichen Sie bitte unbedingt mit:
https://www.gigaherz.ch/basler-immissionskataster-eine-plumpe-faelschung/
und mit
https://www.gigaherz.ch/mobilfunkstrahlung-sichtbar-gemacht-2/

Messungen von Hochspannungsleitungen und Trafostationen müssen nicht nur mit dem richtigen Gerät am richtigen Ort, sonden auch noch zur richtigen Zeit erfolgen.
Denn das Magnetfeld von Hochspannungsleitungen ist nicht von deren konstanten Spannung in Kilovolt abhängig sondern von deren Strom in Ampère oder Kiloampère. Und dieser Stromfluss ist nicht nur sehr von der Tageszeit abhängig sondern auch noch von der Jahreszeit. Zudem ist Strom eine Handelsware geworden. Es bleibt den Netzbetreibern überlassen über welche Leitungen sie wie viel Strom beziehen und wohin sie diesen liefern. Es ist also völlig unsinnig, rasch eine Sonde in die Luft hinauf zu strecken um festzustellen, dass alles paletti  sei. Das kann sich schon einige Minuten später völlig ändern.
Gerade bei Hochspannungsleitungen sind die Mogelmöglichkeiten enorm. Es darf deshalb nicht nur auf Messungen abgestellt werden, sondern es müssen unbedingt auch noch deren Seilquerschnitte berücksichtigt werden. Denn nur diese bestimmen für welche Stromstärken eine Leitung gebaut wurde. Leitungsbetreiber hängen nicht tonnenweise Aluminiumseile in die Luft, um diese dann nur halbwegs auszunützen. Die wissen schon was eine Tonne ALU kostet.

28h-Messung HSP-Leitung
Bild 4: Messung des Magnetfeldes einer Hochspannungsleitung in einem Wohnhaus während 28 Stunden. (11.30-fT15.30) in einer Entfernung von 30m. Maximal möglicher Strom 600Ampère. Grüne Linie=erlaubter Grenzwert von 1uT (1 Mikrotesla)

Der Agriff auf die Mobilfunk-Grenzwerte
In ihrer Motion „zukunftstaugliche Mobilfunknetze für die Schweiz“ fordern Ständerat Noser und Nationalrat Wasserfallen  Eine Lockerung der Strahlungsgrenzwerte, mit der Behauptung, in der Schweiz würden für Mobilfunkstrahlung 10mal strengere Grenzwerte als im europäischen Ausland gelten.
Dass diese Behauptung der grösste Schwindel ist, welcher der Schweizer Bevölkerung jemals aufgetischt wurde, ist in der folgenden PP-Kurzprästation eindrücklich beschrieben.
https://www.gigaherz.ch/wp-content/uploads/2015/04/Der-Schweizer-Grenzwertschwindel-Neuauflage.pdf
Hier wird nachgewiesen, dass die angeblich 10 mal strengeren Schweizer Grenzwerte nur dort gelten, wo die Strahlung aus Gründen der Distanz, den Abweichungen zu den  Senderichtungen und/oder der Gebäudedämpfung (Betondecken) ganz von selbst auf 10% zurückgegangen ist. Und keinesfalls um etwa die Bevölkerung besser zu schützen als im Ausland, wo die angeblich 10mal höheren Grenzwerte bereit 4-6m unmittelbar vor den Antennen eingehalten werden müssen.

Dass den Herren Noser und Wasserfallen mitsamt ihrer FDP-Fraktion das vom Bundesrat verabschiedete (Mogel-) Konzept für ein nationales Monitoring elektromagnetischer Felder sehr gelegen kommt um ihre Forderung nach Lockerung der Strahlungsgrenzwerte zu unterstreichen, liegt auf der Hand.
Es bleibt einmal mehr an Gigaherz.ch und ihren Verbündten  hängen, die Politiker auf diesen Unfug hinzuweisen, der hier mit ihnen betrieben werden soll.
Sehen Sie dazu bitte nach unter:
https://www.gigaherz.ch/nationalrat-ruedi-nosers-husarenritt-gegen-lausanne/
Ein Bericht, von welchem die Direktion des Bundesamtes für Umwelt, übrigens erfolglos, die Löschung verlangt hat.
und
https://www.gigaherz.ch/bundesrat-zieht-lockerung-der-strahlenschutz-grenzwerte-in-betracht/

Wer sich das vom Bundesrat verabschiedete Konzept im Umfang von 22 Seiten im Original ansehen möchte, bitte sehr hier entlang:
https://www.gigaherz.ch/wp-content/uploads/2015/12/Konzept-für-ein-nationales-Monitoring.pdf

Von Hans-U. Jakob

Kommentare sind ausgeschaltet